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Wir die Amateure. Die Leidenschaft, die Leiden schafft. Ein Blog von Pia Piaffe.

1. Januar 2016, in Blog, Reportagen

Fast hätte ich Silvester verschlafen. Doch dazu kam es glücklicherweise nicht. Ich musste um Mitternacht nämlich in den Stall um nach den Pferden zu schauen. Beruhigen von dieser Chlöpferei. Ja, ich habe meine Pferde zu Hause. Ich miste und füttere jeden Tag selber. Ich bin eine Amateurin. Ich bin eine von vielen Amateuren in diesem Sport. Ich reite nicht besonders gut, aber auch nicht besonders schlecht. Ich bin von Beruf Juristin. Ich habe lange und intensive Arbeitstage. Der Pferdesport soll mein Ausgleich sein in meinem Alltag. Ist es auch. Nur der Ausdruck Amateur wollte ich mal genauer durchleuchten. Wer, wie oder was ist eigentlich ein Amateur? Im Wikipedia steht:

Ein Amateur (französisch, von lateinisch amator ‚Liebhaber‘) ist eine Person, die – im Gegensatz zum Profi – eine Tätigkeit aus Liebhaberei ausübt, ohne einen Beruf daraus zu machen bzw. Geld für seine Leistung zu erhalten. Ein Amateur ist ein Laie (griech. λαός laós ‚Volk‘ über λαϊκός laikós ‚zum Volk gehörig‘ und kirchenlateinisch laicus der ‚(kirchliche) Laie‘) und für seine Tätigkeit nicht formal ausgebildet, im Unterschied zur Fachkraft („der im Fachgebiet ausgebildeten“).

Der Begriff sagt wenig über die Sachkenntnis von Amateuren aus, die durchaus professionelles Niveau haben kann. Dagegen wird der Begriff „amateurhaft“ abwertend im Sinne von „nicht auf professionellem Niveau“ gebraucht. Aus diesem Grund wird zur Beschreibung einer zwar als Amateur ausgeübten, aber dennoch als professionell anzusehenden Leistung häufig der Begriff der „Semi-Professionalität“ verwendet.

Da hörte ich doch letzthin von einem grossen Züchter – wie ich ein Bild von einem Fohlen sehen wollte – „häj jo, d Fohle fotografiere, das mached nume d Amateure. Die Föteled und filmed die Gäul hindertschi und fürdertschi!“ So gemein, hab ich gedacht. Ich bin auch Amateur. Hab mir aber nichts anmerken lassen. Immerhin, wenn ich mein Fohlen fötele, dann verdienen unzählige Leute an meiner Tat. Der Züchter, der mir das Fohlen verkauft hat. Der Aufzüchter. Der Fotoapparathändler. Der Filmentwickler. Der Computermensch. Der Fotopapierhersteller – was weiss ich wer alles:) Und dann so. Oder dann heisst es: Ja das isch es guets Amateur-Rössli! Was ist das? Einer der selber springt, einer der selber spaziert oder selber seine Traversalen strampelt? Ich weiss es nicht. Wenn ich mit meinem Amateurrössli in die Reitstunde fahre, dann haben doch wieder einige verdient: Der Verkäufer der mir das Amateur-Rössli verkauft hat, der Reitlehrer, der mich mit meinem Amateur-Rössli unterrichtet, der Hufschmid der dem Rössli Eisen aufschmidet, der Tierarzt („niemand kauft für sein Amateur-Rössli so viele Zusätze wie der Amateur) und vielleicht noch der Automechaniker, weil das Zugfahrzeug vermehrt in den Service muss. Also da steckt doch viel dahinter bei diesen Amateuren! Aber so richtig lässig wirds, wenn der Amateur aufs Turnier fahren darf. Vor allem in der Dressur ist das gar nicht so ohne. Denn da kommt der Amateur mit seinem Amateur-Rössli (das er wahrscheinlich völlig überzahlt hat) so nach dem Motto ich will doch nur etwas Spass haben und muss – achtung! – um 7 Uhr morgens starten. Wenn er Glück hat beginnt die Prüfung auch erst um acht. Den Amateuren kann man solche Startzeiten super zumuten. Die reklamieren nicht, denn sie getrauen sich gar nicht aufzumucken sonst schlägt sich das in den Noten nieder! Gut. Ein Start in der ersten Gruppe – kein Problem: auch die Richter müssen sich irgendwie aufwärmen:) Die Nicht-Amateure, als Berufsreiter, starten ab der zweiten oder dritten Gruppe. Ungerechtigkeit kann ich nicht ertragen. Warum fühle ich mich ungerecht behandelt? Der Amateur ist nicht verflochten mit dem Richter, er hat keine Reitschüler, er handelt kein Pferde, er organisiert keine Turniere. Aha. Er ist eben ein AMATEUR – er arbeitet die ganze Woche. Zum Beispiel als Arzthelferin. Oder als Lehrer. Oder als Hebamme. Als Architekt. Als Autor. Als Verkäuferin. Gut, dann kommen die Berufsreiter, kassieren die Punkte – „ja weisch, das isch e totali Amateurverastaltig gsi“, tönts dann manchmal hinter dem Rücken der Amateure. Das Niveau war katastrophal?!? Oh neeeiiiiiin!

Oder letzthin war ich in Deutschland auf einem Turnier. Da fragte ich einen sogenannten „Profi“ (woooowwww) ob die leichteste S Dressur im Frack oder Jacket geritten wird. Da sagte er mit null Arroganz: „Die wird meist im Frack geritten, damit die Amateure auch mal im Frack reiten können!“ Watsch! Nein echt. Eine leichte S, das geht für einen Amateur grad noch. Vielleicht mit einem Spitzen-Amateur-Rössli, das selber funktioniert. Wir Amateure sind arme Schweine. Denn ist es nicht so, dass wir es sind, die öfters mal Prüfungen sponsoren? Die über ihre Firma gerne mal Geld locker machen? Die an der Bar dann mal noch ein Cüpli zwitschern? Die Mutter, die Grossmutter, die Männer, die Frauen, die Kinder auch noch ans Turnier mitschleppen und stundenlang in der Beiz sitzen? Also ich gebe an einem Turniertag gut öfters über hundert Franken im Restaurant aus – wir laden den TT auch noch ein. Und den Trainer. Und das Pferd braucht eine Box, ein Start kostet 70 Franken. Ich starte zweimal. Vielleicht habe ich zwei Pferde. Die stehen in zwei Boxen. Ein Turnier kostet mich – ohne dass ich offiziell gesponsort habe – schnell 500 Franken. Falls ich die Prüfung noch mitsponsore können es auch mal tausend sein. Es ist wie in der EU – es gilt die Quersubvention! Wir die armen Amateur-Schweine finanzieren den Pferdesport quer. In der Dressur ist es sicherlich so. Ein Hoch auf alle Amateure in diesem Land – und denkt daran: 97 Prozent aller Reiter sind Amateure, mit Amateur-Rössli, die einfach nur Spass haben möchten. Warum nehmen wir das alles auf uns? Das Zauberwort heisst amator = Liebhaberei, oder eben Leidenschaft, die Leiden schafft.

Und ja, es ist nicht immer alles ganz ernst gemeint!

Startet gut ins Neue Jahr

Eure Pia Piaffe