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Glocks Flirt – ein Weltklassepferd aus Lully. Züchter Hans-Jakob Fünfschilling erzählt Flirts Geschichte vom Fohlen bis zur Weltspitze!

2. Januar 2016, in Dressur, Reportagen, Videos

Flirt de Lully – oder wie er heute heisst Glocks Flirt – ist ganz oben an der Dressur-Spitze angekommen. Der 15-jährige Sohn von Florestan I aus der Envie de Lully v. Gauguin de Lully qualifizierte sich letztes Jahr unter seinem Reiter, dem Holländer Hanspeter Minderhoud, fürs Weltcupfinale in Las Vegas – es reichte für den sensationellen fünften Rang. Dann ging es für das Schweizer Pferd steil aufwärts: Im Dezember wurde der Holländer im Rahmen von „Olympia, the London Interantional Horse Show“ mit seinem Glocks Flirt dritter mit einer Wertung von 76,120 Prozenten. Knapp hinter Charlotte Dujardin mit Uthopia und Carl Hester und Nip Tuck. Dann in der Kür legte „Flirty“ – wie er im Stall genannt wird noch einen drauf. Er imponierte mit seinen geschmeidigen Traversalen, den tollen starken Galopp und den fliegenden Wechseln. Minderhoud sicherte sich 80.975 Prozente, Rang drei und auch die Führung in der Dressage Western European League. Doch dass „Flirt“ eigentlich ein Schweizer Pferd ist, dass er aus der Zucht von Hans-Jakob Fünfschilling kommt, wird mit diesen Resultaten fast vergessen. Ein Schweizer Pferd in den top fünf der Welt, das hat es seit Gauguin de Lully nie mehr gegeben. Doch wer ist der heimliche Schweizer Star eigentlich? Wie war er als Fohlen, als dreijähriger, wer stellte ihn wann wo vor? Wir fragten nach, bei seinem Züchter Hans-Jakob Fünfschilling aus Lully. So ganz brav war der knuddelige Fuchs nicht immer…!

 

 

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Sein Züchter Hans-Jakob Fünfschilling erzählt:

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„Flirt de Lully ist 2001 bei uns im Stall geboren. Seine Mutter ist eine Tochter von Gauguin de Lully, sie heisst Envie de Lully. Sie ist meine beste Stute, die ich je hatte. Flirts Vater ist der bekannte Westfale Florestan I. Als Fohlen war Flirt ein ganz normales Fohlen. So wie jedes andere Fohlen auch. Der konnte damals schon spektakulär traben, das haben wir sofort gesehen. Wir stellen die Fohlen nie an Fohlenshows vor. So richtig genau schaute ich mir Flirt dann als Dreijähriger an. Da ist er unglaublich aufgefallen. Er konnte sich wahnsinnig bewegen, aber er liess sich nur ganz schwer handeln. Er war ein sehr spezielles Pferd. Aufzäumen, das ging grad noch. Aber dann hörte für ihn der Spass auch schon auf. Einen Gurt anzuziehen oder gar den Sattel auf den Rücken zu legen, das war eine grosse Herausforderung. Irgendwann klappte dann auch das Satteln und wir wollten ihn anreiten. Wir schafften es nicht, uns auf dieses Pferd draufzusetzen – er bockte schon beim Aufsteigen derart los, dass wir Hilfe brauchten. Wir organisierten einen Spezialisten, der sich mit solch schwierigen Pferden auskennt. Der Spezialist sagte mir, komm bring mir dieses Pferd drei Tage, das klappt schon. Doch er täuschte sich. Selbst er brauchte einen Monat, bis er sich auf den Fuchs draufsetzen konnte. Er kam schon gar nicht rauf, er ist immer abgehauen. So ein Pferd hab ich noch nie erlebt! Wir waren uns sicher, das ist ein unglaublich talentiertes Pferd, eine richtige Bewegungsmaschine. Wir holten ihn nach Hause und wollten ihn selber reiten. Nach drei Tagen machte er wieder Theater, der Spezialist holte ihn wieder ab und nahm ihn drei Monate zu sich. Danach klappte alles wie am Schnürchen. Aber leider nicht lange! Ich setzte mich drauf. Da machte ich die Beine nur ganz wenig zu, das Pferd bockte los und schleuderte mich zu Boden: Mehrfacher Rippenbruch und ausgekugelte Schulter. Von da weg setzte ich mich nie mehr drauf!

Ich hatte gute Beziehungen zur Dressurausbildnerin Jasmine Sanche, die in Deutschland lebt. Ich brachte Flirt 2005 zu ihr und sagte: „Er macht Probleme beim Aufsteigen, das musst du einfach wissen“. Sie schaffte es das Pferd zu reiten und er kam nach Avenches an die Schweizermeisterschaft der Schweizer Dressurpferde. Er war vierjährig und wurde wegen eines Ausfalles von Jasmine von einer jungen Bereiterin vorgestellt. Alles lief reibungslos. Das Pferd kassierte fast überall Maximalnoten und gewann die erste Prüfung souverän. Noch vor der zweiten Prüfung wurde Flirt aber wieder wild, die junge Frau fiel noch vor dem Einritt vom Pferd. Die gesamte Richterschaft musste warten. Sie stieg wieder auf und gewann erneut. 2006, Flirt war damals 5-jährig hat in Avenches alles gewonnen, damals unter Sébastian Poirier (kleines Bild links).

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Nur ein Jahr später, also 6-jährig habe ich Flirt nach Deutschland in die Ausbildung zu Hartwig Burfeind gegeben. Zusammen mit seiner Freundin Juliane Brunkhorst bildete er das Pferd bis Grand Prix aus. Mit neun Jahren gewann Flirt de Lully seinen ersten Grand Prix und stand noch immer in meinem Besitz. Auf diese Erfolge hin konnte ich Flirt direkt an Familie Glock verkaufen. Dort kam er unter die Fittiche des Holländers Hanspeter Minderhoud und ist nun mit ihm zu einem Weltklassepferd herangereift.

Zum Charakter: Flirt ist ein absoluter Goldschatz. Er konnte es als junges Pferd nicht ertragen, jemanden auf seinem Rücken zu tragen. Doch er ist sehr verschmust und lieb. Seine Mutter Envie de Lully, eine Tochter des Gauguin de Lully, hat noch weitere Top-Pferde gebracht. Zum Beispiel Fiorello de Lully, der nun von Philipp Hess in Deutschland ausgebildet wird. Aus dem Stamm der Stute stammen auch zwei weitere interessante Pferde: Miss Facette de Lully (Mister G de Lully x Famos) bereits mehrfach international Grand Prix erfolgreich unter Philipp Hess und Miss Miola de Lully (Mister G. de Lully x Apartos; Besitzer Otto Hofer), die mit Andrina Suter letztes Jahr viele M-Dressuren gewinnen konnte.“

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Gauguin de Lully unter Christine Stückelberger – Muttervater von Flirt de Lully.

 

Weitere Infos zu Flirt de Lully oder eben Glocks Flirt bei Familie Fünfschilling  oder bei Familie Glock.

Text: Gina Kern

Beitragsbild oben: Glocks Flirt unter seinem Reiter Hanspeter Minderhoud in Stockholm 2015. Foto: FEI/Roland Thunholm