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"Sitzpapst" Eckart Meyners. Das Interview.

31. März 2014, in Reportagen

Ein geschmeidiger Reitersitz und ein gefühlvolles Einwirken auf das Pferd sind Grundlage für den angestrebten harmonischen Dialog zwischen Reiter und Pferd. Durch unterschiedliche Defizite des Menschen wird dieser oftmals gestört. Selbst kleinste Verspannungen des Reiters lösen falsche Reaktionen des Pferdes aus, obwohl der Reiter eigentlich alles richtig machen möchte. Diese Verspannungen können körperliche Ursachen, aber auch emotionale und mentale Hintergründe haben.

Da Sitzprobleme beim Reiter meist sehr vielschichtig sind, hat Eckart Meyners ein integratives Bewegungskonzept entwickelt, das mit verschiedenen wissenschaftlichen Ansätzen arbeitet.

Die Mitglieder der Nachwuchskader Dressur hatten die Möglichkeit in einem weiteren Förderlehrgang mit Eckart Meyners ihre Sitzposition zu verfeinern. Teils konnte schon mit einfachsten Übungen grosses verändert werden.

Nach dem Förderlehrgang hatte pferdonline die Möglichkeit, sich mit dem weltbekannten Sportpädagogen und „Sitzpapst“ zu unterhalten.

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Eckart Meyners

 

Pferdonline: Herr Meyers, Sie haben im NPZ in Bern vom Ponykind bis zum U25-Reiter Jugendliche unterrichtet. Was ist aufgefallen?
Eckart Meyners: „Es ist immer wieder etwas vollkommen anderes, wenn ich mit Jugendlichen arbeite. Denn die Faszination ist gross: Wie lernt der Mensch, was bringt er talentmässig mit.“

Talentmässig? Das heisst, wenn mans im Blut hat ist gut und sonst wird’s schwierig?
„Der Mensch muss bis zum Beginn der Pubertät möglich viele verschiedene Bewegungsabläufe kennenlernen. Er muss sein Gleichgewicht schulen, seine Dynamik, seine Reaktion und seine Koordination. Vieles passiert schon im Mutterleib, das meiste in der frühen Kindheit. Auf Bäume klettern, Purzelbäume schlagen, die Wiese herunterrollen, kippeln  – das sind wichtige Momente für späteres Reiten oder andere Sportarten. Denn ein Kind das gut Skifahren kann, kann meist auch gut Reiten. Es braucht Gleichgewicht, Rhythmusgefühl, Technik und die Einschätzung des Geländes. Man muss den Hang spüren können, und so ist es doch auch mit dem Pferd.“

Wie ist ihre Einschätzung zum Schweizer Dressurnachwuchs? Spüren unsere Reiter das „Gelände“ oder eben das Pferd?
„Mich hat das Niveau der Schweizer Nachwuchsreiter unglaublich überrascht. Sie haben alle eine große Feinsinnigkeit. Die Handschriften der Ausbildner liegen auf dem „gefühlten“ Reiten und weniger auf dem „formalen“ Reiten – in die Schablone gepresst. Verstehen Sie? Die meisten Jugendlichen konnten ordentlich gut mitschwingen. Das ist nicht immer so.“

Was heisst das genau?
„Die Schweizer Nachwuchsreiter zeigten alle eine hohe Sensibilität für ihr Pferd. Ich unterrichte u.a. auch Berufsreiter,  auch Grand Prix Reiter. Sie  muss ich oft erst einmal aus ihrer Form herausholen und sie davon wegbringen, alles schematisch zu reiten. Zu oft wird die Form in den Mittelpunkt gerückt, statt die Funktion.“

Woran liegt das?
„Vielleicht, weil zum Beispiel Richter die Form, das äußere Bild prüfen. Es ist auch ihre Aufgabe. Wichtig ist jedoch die Funktion der Bewegung. Grundsätzlich ist es so, dass eine richtige Funktion die gute Form als Resultat hat. Umgekehrt nicht: Sich in einen Form zu pressen, heißt noch nicht, die Funktionen zu erreichen. Viele Reiterinnen und Reiter geben sich zwar eine unglaubliche Mühe, alles perfekt zu machen, lasten sich damit aber zu viel Zwang auf und werden wieder fest. Logischerweise wird dann auch das Pferd fest. Zu hohe Konzentration – zum Beispiel im Training – hält den Reiter vom Fühlen ab. Deswegen stelle ich in meinen Seminaren immer wieder Fragen an die Reiter. Und, was fühlst du? Wie war das? So müssen sie selber aktiv mitarbeiten, denken, fühlen und nehmen nicht nur passiv Anweisungen entgegennehmen.“

Im Seminar haben sie gesagt wir Menschen sind Lastenträger. Wie meinten Sie das?
„Sehen Sie, früher trugen wir Menschen z.B. Wasserkrüge auf dem Kopf. Heute tragen wir noch immer die gesamte Last im Kopf. Die Psyche ist oft stark belastet. Mit all unseren Zielen und Anforderungen im Kopf setzen wir uns aufs Pferd. So ist der gesamte Kopf-Hals-Nackenbereich völlig belastet und überhaupt nicht losgelassen.“

Und wo müssen wir ansetzen dies zu ändern?
„Es war sehr spannend, dass auch Trainer bei dem Seminar in Bern anwesend waren. Es war interessant zu hören, wie eine Trainerin zu mir sagte: „Vielleicht unterrichte ich das Kind zu formal.“ Das ist eine gute Erkenntnis. Das größte Problem ist für mich, dass die Reiter die Informationen der Ausbildner in ein Bild ummünzen müssen, das der Ausbilder erzeugen wollte. Oft passieren auf diesem Wege Missverständnisse, denn oft reitet der Ausbilder Grand Prix und der Schüler ist auf einem anderen Niveau. Da sind die Bilder zu sehr verschieden.“

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Wo liegt das Bein im Galopp? Eckart Meyners mit Estelle Wettstein.

 

Eckart Meyners, Jahrgang 1943, ist verheiratet und hat 3 erwachsene Kinder. Er war fast 40 Jahre als Dozent für Sportpädagogik an der Leuphana Universität Lüneburg tätig. Er leitete in letzten 6 Dienstjahren das Institut für Spiel- und Bewegungserziehung. Seine Forschungs- und Lehrschwerpunkte sind Bewegungslehre, Gesundheitserziehung, Leichtathletik, Rückschlagspiele, Reitpädagogik. Er ist ständiger Mitarbeiter der Dressurstudien. Er lehrte in den Bachelor- und Masterstudiengängen Lehrerbildung für die Primarstufe, Sekundarstufe I, Lehramt an Berufsbildenden Schulen, Diplom-Pädagogik sowie im Studiengang Angewandte Kulturwissenschaften im Studienfach Spiel- und Bewegungskultur. Es ist ihm gelungen, Reiten und Reitpädagogik als Lehr- und Forschungsgebiete universitär einzuführen. Meyners gab zum Thema Reitpädagogik mehrere Bücher heraus.

Beitragsfoto: Ponyreiter Carl-Lennart Korsch bei einer Übung am Boden unter Aufsicht von Eckart Meyners.