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FEI-Regeländerung. Das Interview mit dem Schweizer Delegierten Claude Nordmann.

5. Dezember 2016, in Aktuell, Newsticker

Der langfristige Verbleib des Reitsports in der Familie der olympischen Sportarten war und ist eines der großen Ziele des Weltreiterverbandes FEI.  Damit der Pferdesport olympisch bleibt, waren Reformen nötig. Nun hat sich die FEI entschieden- pferdonline berichtete.

Eine der wichtigsten Forderungen des IOC ist die Erhöhung der teilnehmenden Nationen. Mehr Flaggen bedeutet im Umkehrschluss weniger Reiter pro Nationen, denn die Gesamtteilnehmerzahl ist mit 200 Athleten im Reitsport streng limitiert. Das Konzept sorgt insbesondere bei den großen Reiternationen für wenig Begeisterung. Sie sehen dadurch die Qualität des Sports und das Wohl der Pferde in Gefahr. Bedenken, die die Mehrheit der Mitgliedsverbände offenbar nicht teilt. Das zumindest lässt das Ergebnis der jüngsten Abstimmung anlässlich der Generalversammlung der FEI am 22. November vermuten. Mit 96 von 107 vor Ort anwesenden Nationen votierte eine überwältigende Mehrheit für die Umsetzung der Reformpläne. Lediglich die nationalen Verbände aus Albanien, Bulgarien, Frankreich, Deutschland, Litauen, Luxemburg, Monaco, Neuseeland, den Niederlanden, Rumänien und der Schweiz stimmten dagegen.

Für die Schweiz in Tokio dabei war der Fribourger Claude Nordmann. Er vertrat unser Land in einer wichtigen Diskussion. pferdonline konnte sich mit ihm unterhalten.

pferdonline: Herr Nordmann, Sie sind beim Verband zuständig für Internationales. Was heisst das genau?
Claude Nordmann: Der SVPS ist international als volles Mitglied der Fédération Equestre Internationale (FEI) und der European Equestrian Federation (EEF) engagiert. Als Verantwortlicher für Internationale Angelegenheiten muss ich die Kontakte mit diesen Verbänden pflegen. Zudem ist der Meinungsaustauch mit den anderen nationalen Verbänden sehr wichtig. Das Ziel sollte immer sein, den Pferdesport zu fördern und von Erfahrungen von anderen Verbänden zu profitieren. Dank unseren Kontakten mit anderen nationalen Verbänden können wir seit drei Jahren unseren Standpunkt in der Problematik der Endurance besser verteidigen und für das Wohlergehen des Pferdes gezielter kämpfen.

Nun waren Sie in Tokio und haben die Stimme der Schweiz vertreten. Wie muss man sich eine solche Delegiertenversammlung vorstellen?
Die Delegiertenversammlung dauerte vier Tage. In diesen Tagen fanden viele Sitzungen statt. Am ersten Tag war die FEI Bürositzung und informelle Besprechungen mit anderen Delegierten. Am zweiten Tag besprechen sich die verschieden Gruppen der FEI separat. Für Europa ist dies der der EEF wo man die aktuellen Themen diskutiert. Zum Beispiel die Entwicklung der EEF, die Probleme der Nationenpreise in den Nationen der 2. Division in Europa und natürlich alle Vorschläge der FEI. Am dritten Tag werden die Resultate der Sitzungen der einzelnen Gruppen mit dem FEI Büro besprochen und dann finden verschieden Sessionen statt. Es werden besondere Themen behandelt. Wie dieses Jahr die Olympischen Formaten und die neuen technischen Reglemente. Am vierten Tag war die offizielle Generalversammlung wo alle statutarischen Angelegenheiten besprochen wurden. Da wurden die Berichte und Reglementsänderungen der acht Disziplinen vorgestellt und genehmigt. Im weiteren wurden diverse Informationen über die nächsten Olympischen Spiele und die WEG World Equestrian Games vorgestellt.

Was war speziell dieses Jahr in Tokio?
Speziell war natürlich die Verabschiedung der neuen Olympischen Formate mit der Reduktion der Teams zu drei Reitern in allen drei Disziplinen. Das gab viele Emotionen! Leider mussten wir feststellen, dass der Sport mehr und mehr in „Events“ umgewandelt wird. Das Zuschauerinteresse steht an vorderster Stelle. Aber gut ist auch, dass das Wohlergehen der Pferde auch immer wieder ein Thema ist und berücksichtigt wird. Vor allem in der Endurance ist dies sehr zentral und wichtig.

Die Schweiz war gegen die Änderung, dass nur noch drei Reiter pro Nation an den Start gehen dürfen bei Olympischen Spielen. In Tokio wird diese Regelung das erste Mal umgesetzt. Können Sie die Haltung der Schweiz etwas differenzieren?
Das IOC (Intern. Olympic Committee) wünscht eine grössere Universalität (mehr Nationen), ohne genaue Vorgaben an die Internationalen Verbänden zu machen. Der SVPS ist nicht gegen dieses Prinzip, ist aber der Meinung, dass mehr Teams einen Verlust an der „Exzellenz“ (Einzigartigkeit) bei den OS verursacht.  Die Unterschiede in der Leistung zwischen den verschiedenen Nationen sind noch zu gross und um Unfälle zu vermeiden, werden die Parcours künftig nicht mehr so hoch und schwierig gebaut, was natürlich einen Interessenverlust mitbringt. Die OS werden daher für die besten Reiter der Welt viel weniger attraktiv sein.

  • Springen
    Da sind wir der Meinung dass mit 3er Mannschaften, die Pferde zu stark beansprucht werden weil der Equipenchef kein Wahl treffen kann, wenn ein Pferd nicht mehr fit ist! Und natürlich verliert der Event viel an Spannung, wenn das erste Pferd viele Punkte kassiert. In Rio haben wir gesehen, dass fast alle Equipen ein Paar relativ früh verloren haben. Nur dank dem Streichresultat war die Spannung noch bis am letzten Reiter da. Wir sehen wirklich keinen Vorteil den Einzel- vor der Mannschaft-Wettkampf laufen zu lassen. Wird das Interesse am Mannschaftsspringen noch da sein und sind die Besitzer bereit die Pferde noch zur Verfügung zu stellen?
  • Dressur
    Die Reduktion auf drei Reiter pro Mannschaft zu beschliessen, ist fraglich. Man hat in Rio deutlich gesehen, dass es nicht sehr viele Nationen sind, die ein sehr hohes Niveau in der Dressur haben. Der Vorschlag der FEI den Wettbewerb aber insgesamt interessanter zu machen um mehr Attraktivität bei Nichtspezialisten zu generieren, ist positiv. 

Nebst der Schweiz war auch Deutschland gegen diese Regeländerung. Der Deutsche Generalsekretär Sönke Lauterbach erklärte, man befürchte, dass die Grundprinzipien des Sports (höchstes Niveau, Sicherstellung des Wohlergehen der Pferde) dadurch in Gefahr gerate. Was sagen Sie dazu?
Unsere Überlegungen sind sehr ähnlich zu denen vom deutschen Verband. In allen Vorbesprechungen teilten wir immer die gleichen Meinungen.

 Was ist die offizielle Haltung der Schweiz? (Akzeptanz der demokratischen Entscheidung)
Wir haben unsere Meinungen vertreten aber diese wurde nicht von der Mehrheit der nationalen Verbände geteilt. Wir sind Demokratie gewöhnt und akzeptieren selbstverständlich diesen Entscheid mit Bedauern.

 Was ist ihre persönliche Meinung, hat der Pferdesport langfristig bei Olympischen Spielen noch eine Chance zu bestehen?
Ich hoffe sehr, dass der Pferdesport „olympisch“ bleiben wird. Aber die Kosten für die OS-Organisatoren sind sehr hoch und da die Tendenz zu „billigeren Spiele“ herrscht, bin ich nicht mehr sicher, ob die Organisatoren noch bereit sein werden, weiterhin so viel zu investieren. Das weltweite Interesse an Pferdesport muss enorm wachsen, um eine Zukunft zu sichern.

Wie muss sich die Dressur entwickeln, dass Sie weiterhin bestehen kann?
Die Dressur ist die Basis des Pferdesportes. Die Kür stösst jetzt bereits auf grosse Interesse. Die anderen Pflichtübungen, zum Beispiel der Grand Prix, müssen unbedingt kürzer werden. Die Bewertung muss noch raffinierter werden (beste und schlechte Resultate gestrichen), die Notengebung live gegeben werden usw. Es gibt viele gute Ideen um die Attraktivität zu steigern. Ich bin sehr zuversichtlich, dass die Verantwortlichen alles tun werden um die Dressur in die richtige Richtung zu entwickeln

Zur Person:
Claude Nordmann ist in Fribourg geboren. Nach dem Studium an der ETH-Zürich hat ich an der Uni Fribourg in Physik promoviert. Nach einer kurzen Zeit in der Privatwirtschaft arbeitete er beim Bund während 28 Jahren als Ingenieur und Sektionschef. Während 19 Jahren leitete Nordmann das OK des Dressurconcours von Fribourg. Er war Präsident des Freiburgischen Verbandes für Pferdesport FER von 1999 bis 2010. Seit 2004 ist er  Mitglied des Vorstandes des SVPS. Erst als Vertreter der FER und dann als Verantwortlicher für internationale Angelegenheiten.

Interview: Gina Kern