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Andy Kistler, wie lauten die Ziele für 2015? Das Interview mit dem Equipenchef.

8. Januar 2015, in Aktuell, Reportagen

Das Turnierjahr 2015 beginnt für die nationale und internationale Springreitergilde mit dem Longines CSI Basel. Die Startglocke ins EM-Jahr, in der es für die Schweizer Mitte August in Aachen um EM-Medaillen und vor allem um die Olympia-Qualifikation 2016 in Rio de Janeiro geht, ertönt vom 8. bis 11. Januar in der St. Jakobshalle. Wer springt schon zu Jahresbeginn ins Rampenlicht?

Die Schweizer Springreiter haben 2014 als Equipe die Ambitionen nicht erfüllt und die zwei wichtigsten Saisonziele verpasst. An den Weltreiterspielen in der Normandie enttäuschte das Team von Equipenchef Andy Kistler als Elfte und verfehlte die angestrebte Olympia-Qualifikation deutlich. Auch der Nationenpreis-Final in Barcelona fand ohne die Schweiz statt. Ein achter Schlussrang in Europas Spitzenliga genügte nicht. Nun wird alles unternommen, um 2015 an den Europameisterschaften in Aachen die zweite und letzte Olympiachance wahrzunehmen. Drei Plätze für die Olympischen Spiele 2015 in Rio de Janeiro stehen für europäische Teams noch offen.

Wie wichtig wird der CSI Basel für das EM-Jahr sein?
Andy Kistler: Basel gibt uns wie Genf und Zürich erste wichtige Erkenntnisse für die neue Saison. Wer ist wie beritten? Welche Pferde haben Fortschritte gemacht? Kann sich ein Paar aus unserer zweiten Reihe für höhere Aufgaben empfehlen? Die Schweiz kann stolz sein, dass in unserem Land im Winter gleich drei Super-Turniere mit erstklassiger internationaler Beteiligung veranstaltet werden. Wer Spitzenresultate erzielt, rückt vermehrt in meinen Fokus.

Das Jahr 2014 wird nicht als Erfolgsjahr für die Schweizer Springreiter eingehen. Die wichtigsten Saisonziele wurden verpasst.
Die zwei wichtigsten Saisonziele haben wir nicht erreicht. Wir strebten an der WM in Caen einen Platz unter den ersten fünf und die damit verbundene vorzeitige Olympia-Qualifikation für Rio an und liebäugelten auch mit einem Spitzenplatz für einen unserer Topreiter. Wegen nicht konstanten Leistungen haben wir den Nationenpreis-Final in Barcelona im Herbst verpasst. Immerhin konnten wir mit dem achten Schlussrang die Zugehörigkeit zur europäischen Eliteliga wahren.

Was lief schief?
Wir haben alles genau analysiert und mit Reitern, Verantwortlichen und Fachkräften eine Auslegeordnung vorgenommen. An der WM in Caen waren wir vor allem am ersten Tag, im Zeitspringen, nicht parat und hatten einen miserablen Start. Schon nach der ersten WEG-Teilprüfung waren wir weit weg von unserer Olympia-Qualifikation und konnten das Ziel nicht mehr erreichen. In Zukunft müssen wir uns vermehrt auch auf die Starts an Championaten ausrichten. Wer von Beginn weg vorne dabei ist, erhält Auftrieb und Sicherheit. Ebenfalls haben wir wohl zu viele Ziele ins Auge gefasst. Unsere Spitze war im vergangenen Jahr zu wenig breit, um überall ganz vorne mitzureiten. Und beim einen oder anderen Paar in unserer Equipe müssen wir die Planung überdenken und frühzeitig Weichen stellen.

Hätte man nicht auf den einen oder anderen Nationenpreis-Start verzichten müssen oder andere Paare aufbieten sollen, um nicht die Reserven unserer Spitzenpaare anzuzapfen?
Im Nachhinein ist man meist klüger. Den Nationenpreis am traditionsreichen CHIO Aachen, der nicht zur Nationenpreis-Serie zählt, hätten wir vielleicht nicht mit unserer besten Equipe bestreiten sollen. Verzichten wollten wir nicht, war die Schweiz doch 2014 in Aachen Gastland. Aber der letzte Platz im Mannschaftswettbewerb und die schlechten Einzelresultate gaben uns schon einen Dämpfer.

Pius Schwizer Aachen 2014
Pius Schwizer beim Rausreiten aus der Arena in Aachen 2014.

Dennoch sorgten die Schweizer auch 2014 mit Spitzenplätzen für Schlagzeilen.
Mit der Equipe siegten wir zu Saisonbeginn in Lummen mit null Fehlern überzeugend. Am Weltcupfinal mischten Steve Guerdat und Pius Schwizer bis zum Schlusstag ganz vorne mit. Es fehlte wenig, um wieder Podestplätze zu erreichen. Guerdat wurde mit Nino letztlich Fünfter, Schwizer nach seinem Sieg im Zeitspringen mit Quidam du Vivier Achter. Im zweiten Weltcup-Qualifikationsspringen für die Saison 2014/2015 feierten unsere Reiter mit Steve Guerdat/Nino des Buissonnets, Martin Fuchs/PSG Future und Pius Schwizer/Sixtine de Vains einen historischen Sieg. Noch nie standen gleich drei Schweizer auf einem Weltcup-Podest. Paul Estermann hat mit seiner „Milly“ den Grossen Preis am CSIO St. Gallen gewonnen und Rang drei im GP von Rotterdam belegt. Niklaus Rutschi siegte auf Windsor im Fünfstern-GP in Gijon, Marie Etter war Dritte im GP von Calgary mit Admirable, und Jane Richard Philips hat sich mit ihrem Pablo und zahlreichen Nationenpreis- und GP-Spitzenergebnissen ebenso in die erweiterte Weltspitze vorgeschoben wie Team-Neuling Romain Duguet.

Welches waren die erfolgreichsten Nationenpreis-Reiter?
Pius Schwizer verzeichnete fünf Nullfehlerritte, vier mit seinem Spitzenpferd Toulago, in Falsterbo mit Quidam du Vivier. Paul Estermann und Jane Richard kamen mit ‚Milly‘ und Pablo auf je drei Nullfehler-Passagen. Romain Duguet drehte in Lummen mit Quorida de Treho zwei Blankorunden, ebenso Werner Muff mit Pollendr in Brastislava und Janika Sprunger mit Aris in Odense. Alain Jufer blieb mit Wiveau in Odense und Bratislava fehlerlos und war zudem zweitbester Nationenpreis-Reiter aller Teilnehmer in Calgary.

Es besteht also Hoffnung auf ein erfolgreicheres Jahr 2015.
Wie erwähnt, unsere Spitze ist schmal und der lukrativen Turniere gibt es viele und immer mehr. Und absolute Weltklassereiter haben wir wenige. Hinter unseren Spitzenkräften stossen mit Martin Fuchs, Werner Muff, Alain Jufer, Marie Etter-Pellgrin, Janika Sprunger und Niklaus Rutschi aufstrebende oder wieder besser berittene Reiter nach, und erzeugen Druck auf das WM-Team mit Guerdat, Schwizer, Estermann, Richard und Duguet. Und Beat Mändli darf man nicht vergessen. Wir erwarten ihn im Sommer 2015 aus den USA zurück. Seine Resultate in Übersee mit Antares sind beachtlich. Und vielleicht erhält er noch ein neues Spitzenpferd.

Martin Fuchs Future Paris Box
Martin Fuchs nach seinem Sieg in Paris 2014 mit PSG Future.

Die Saisonplanung wurde früh aufgegleist.
Die Kaderbildung haben wir bewusst frühzeitig vorgenommen. Ich habe mit Zustimmung der Selektionskommission das Kader reduziert und auf 18 Elite-Reiterinnen und -Reiter sowie auf drei Espoirs gestrafft. Espoirs sind Junge Reiter, die für zwei Jahre nach dem Übertritt aus dem Nachwuchs, Elite-Kader-Luft schnuppern können und möglichst auch eine Chance auf einen Start in einem Nationenpreis erhalten sollen. Ich habe von jedem Kaderreiter eine persönliche Planung verlangt, die wir gemeinsam anschauen und eventuell überarbeiten. Der Fokus ist klar auf die EM in Aachen ausgerichtet.

Kann die Schweiz 2015 in der Europa Division I wieder ihre vier zählbaren Nationenpreis-Einsätze selbst bestimmen?
Nein. Das durfen nur die bestklassierten vier Mannschaften der Spitzenliga. Einzig beim CSIO St. Gallen im Juni war unser Start als Gastgeber im eigenen Land gegeben. Wir starten nun um Natiinenpreis-Punkte nebst dem Heim-CSIO in St. Gallen in Falsterbo, Hickstead und Dublin. Das sind ausschliesslich Rasen-Turniere und bieten uns gute Möglichkeiten zur Vorbereitung auf die EM Ende August in Aachen, die auch auf grüner Unterlage ausgetragen werden. Wir müssen uns gut überlegen, welche Reiter wir jeweils mit welchen Pferden aufbieten.

Wie lautet die Zielsetzung für 2015?
Absolute Priorität hat die EM in Aachen. Da wollen wir uns wie vor vier Jahren in Madrid die Olympia-Qualifikation im zweiten Anlauf holen. Vier europäische Teams, nämlich Weltmeister Holland, Frankreich, Deutschland und Schweden haben ihre Tickets für Rio schon geholt. Drei bleiben für Europa übrig. Eines davon möchten wir ergattern, obwohl die Konkurrenz mit Grossbritannien, Irland, Belgien, Spanien, Italien und der Ukraine gross sein wird. Der Nations Cup ist wichtig, hat aber nicht allererste Priorität. Wir sind aber bestrebt, in der Spitzenliga zu bleiben.

Interview: Peter Wyrsch
Fotos: Sandra Zindel, Gina Kern, Gucci Masters Paris