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Titelverteidiger Michael Jung: "Respekt ja, Angst nein". Das Interview.

24. August 2014, in Vielseitigkeit, WEG Normandie

Er ist Doppel-Olympiasieger, Doppel-Europameister und Weltmeister: Michael Jung (33). Sein feinfühliges Reiten und sein grosses Talent lässt den Vielseitigkeitsreiter über die Landesgrenzen hinaus zu einem reiterlichen Vorbild werden. Er ist schlicht der überragende Mann bei den „Alleskönnern“ im Sattel.

pferdonline konnte sich mit Michael Jung über die Vorbereitung zur WEG aber auch zum tödlichen Sturz seines Freundes Ben Winter unterhalten.

pferdonline: Michael Jung, ihr Spitzenpferd SAM fällt aus. Was war passiert?
Michael Jung: 
Es wäre wirklich schön gewesen, mit Sam nach 2010 erneut bei der Weltmeisterschaft zu starten. Am Mittwoch war das Training auf dem Bonner Rodderberg in unserem Trainingslager noch ganz normal, am Donnerstagvormittag zeigte Sam eine Lahmheit, die auf ein Hufproblem zurückzuführen ist. Glücklicherweise ist es nichts Ernstes, aber die WM ist gelaufen. Klar, ich bin sehr enttäuscht.

Sie gehen nun mit der neunjährigen ehemaligen Bundeschampionesse FischerRocana FST an den Start. Sie fahren als Titelverteidiger dahin. Ein besonderes Gefühl?
Gut, das mit der Titelverteidigung ist so eine Sache. Ich fahre mit einem guten Gefühl an die WEG. Ich habe mich gut vorbereitet – ich habe auf all den Turnieren dieser Saison ausprobiert, was noch zu verbessern ist. Ich habe gut trainiert. Das Pferd befindet sich in einer top Verfassung. Ich probiere meine bestmögliche Leistung abzurufen. Man darf sich auch nicht zu viel Druck machen und jeden Tag daran denken, dass man Titelverteidiger ist. Ich versuche mich, wie vor jedem Turnier gut auf mich selber zu konzentrieren. Nur weil es ein Championat ist, darf nicht alles anders sein.

Wie haben Sie sich vorbereitet auf die WEG?
Ich habe meine Saisonplanung ganz klar auf die WEG ausgerichtet. Ich habe versucht, meine Pferde gut bei Laune zu halten. Ich habe über die Turniersaison versucht herauszufinden, was brauche ich, damit sich meine Pferde auf mich konzentrieren und sich nicht ablenken lassen. Wie lange soll ich abreiten, welche Stollen brauche ich für welches Gelände, soll ich abreiten oder ablongieren etc. So hat sich ein Puzzle ergeben, dass dann hoffentlich in der Normandie ein schönes Bild ergibt.

Wie trainieren Sie ihre Pferde, so kurz vor dem Championat?
Ich galoppiere regelmässig am Berg. Ich mache alle fünf bis sechs Tage ein Intervall-Training. Wie lange so ein Training dauert hängt davon ab, wie die Bodenverhältnisse sind. Es gibt mir auch ein Gefühl, wie mein Pferd drauf ist.

Trainieren Sie nun konkrete Wege für die Normandie? Haben Sie eine Strecke nachgebaut?
Nein. Ich war vor zwei Jahren in der Normandie und kenne die Strecke. Es handelt sich um eine sogenannte Standartaufgabe. Das sind Hindernisse und Wege, die ich überall trainieren kann. Aber klar, es ist ein sehr bergiges Gelände dort. Es ist für die Pferde sehr anstrengend und sie brauchen viel Kondition.

Fahren Sie vielleicht auch mit gemischten Gefühlen an die WEG? Sie haben im Juni mit Ben Winter einen guten Freund verloren. Sitzt da nicht auch etwas Angst im Nacken?
Angst nein. Aber es wird einem immer wieder bewusst, dass wenn man aus dem Haus geht, dass etwas passieren kann. Egal ob man eine Treppe steigt oder aufs Pferd sitzt. Ein gewisses Risiko ist immer da. Man muss sich bewusst sein, was man tut. Und sich ganz gut darauf vorbereiten. Man muss sich selber und das Pferd genau kennen und darf nicht zu leichtsinnig sein. Aber klar, ich bin natürlich sehr traurig über diesen tragischen Unfall.

Hat dieser Unfall ihr Leben ein Stück weit verändert?
Es wurde mir natürlich schon auch wieder bewusst, wie wichtig eine gute Vorbereitung für Reiter und Pferd ist. Ich habe einen positiven Respekt dem Sport gegenüber. Und Bens Sturz war ein tragischer Unfall, der nicht dazu führen soll, den ganzen Sport in Frage zu stellen.

Schauen wir vorwärts. Freuen Sie sich auf die Weltreiterspiele?
Ja klar, ich freue mich sehr. Es ist ein Höhepunkt, auf den ich Jahre darauf hingearbeitet habe. Dann geht der Event zwei Wochen und alles ist vorbei….

…..und Sie kommen hoffentlich mit Gold nach Hause….
Das Ziel ist sicherlich eine Teammedaille. Alles andere wird man dann sehen. Das ist ein neues Turnier, da werden die Karten neu gemischt. Ich bin mit einer guten Leistung auch zufrieden, es muss nicht zwingend ein Sieg sein.

Alltech FEI World Equestrian Games 2010™
Michael Jung gewinnt in Kentucky 2010 Einzelgold in der Vielseitigkeit.

Michael Jung ist 33 Jahre alt und betreibt mit seinen Eltern südlich von Stuttgart einen Ausbildungsstall. Jung gewann vor vier Jahren an den Weltreiterspielen in Kentucky in der Einzelwertung Gold in der Vielseitigkeit. Dann wurde er mit dem Team und im Einzel Europameister und gewann in London 2012 mit dem Team und im Einzel Gold.