Haben Sie Lust Dressurrichterin zu werden? Mit diesem Satz sucht der Verband jedes Jahr neue Dressurrichter. Beim Informationsabend für Dressuranwärter kann sich informieren, wer Lust zum Richten verspürt. Ein unverbindlicher Abend, der das Richten schmackhaft machen soll aber auch klar aufzeigt, was die Kehrseite des Amtes ist. pferdonline fragt sich, wer wohl an solch einem Abend teilnimmt? Was sind die Erwartungen der Pferdesportler an das neue Amt. Ist es das, was sie sich vorgestellt haben und erfüllen sie alle Kriterien? pferdonline war dabei. Eine Reportage.
Wer sich fürs Dressurrichten interessiert, kommt automatisch mit der zurückgetretenen Chefin Technik des SVPS in Kontakt – Steffy Kuriger. Neben ihr die neue Chefin Technik Margret Dreier und für die welschen Richter zuständig die erfahrene Richterin Christine Dolder. 19 interessierte Dressurleute sind nach Lenzburg ins Hotel Krone gereist um zu hören, um was es beim Dressurrichten in der Schweiz ankommt. Einige Gesichter kennt man aus dem Dressursport, andere weniger.
In einer ersten Runde stellen sich die interessierten Dressuranwärter vor. Dann wird ein Fragebogen ausgefüllt. Die Kriterien für den Einstieg ins Richteramt sind klar festgelegt: Mindestens 25 Jahre alt, Angabe von zwei Referenzen aus dem Richterkreis, ein Ausweis über mindestens fünf Klassierungen in den Prüfungen L11 bis 20 oder an höheren Prüfungen. Zudem sollte man Mitglied in einem Verein sein und 5 Assists vorweisen können.
Der Fragebogen war knifflig: Warum wollen Sie Dressurrichter werden? Sind sie teamfähig? Nennen Sie fünf Charakterzüge – Vorteile, Nachteile.
Schon bald bildete sich aus dieser „Interessenten-Truppe“ eine homogene, witzige Gruppe. Alle mit demselben Ziel: Sie interessieren sich für die Dressurrichterei.
Doch so einfach sei Richten gar nicht. Steffy Kuriger erzählt: „Wenn sie bei C sitzen kann es durchaus sein, dass sie pro Prüfung 90 Mal auf und Absitzen – dann fragen sie sich am nächsten Tag warum sie Muskelkater in den Oberschenkeln haben!“
Es gab viel Wichtiges, Neues und Spannendes, aber auch einiges zu Lachen an jenem Abend. Zum Beispiel der Knigge für Richter. Ein Blatt, das laut den drei Richterinnen „nicht umsonst“ verfasst wurde.
Zum Beispiel steht da drin:
- Die Reiter haben reglementierte Tenuevorschriften. Die Kleidung des Richters soll demzufolge ihrer Funktion auch Rechnung tragen.
Man beachte: Keine Spaghettiträger und Min-Jupes für Frauen, nicht Schulter- und nicht Bauchfrei.
Die Runde lacht. Steffy Kuriger schmunzelt und sagt: „Alles schon vorgekommen:“
- Die Reglemente sind genau zu beachten. Der Schutz des Pferdes und das Ansehen des Dressursportes haben Priorität. Das Tierschutzgesetz und die Tierschutzverordnung sind unseren Regelementen übergeordnet.
Die Chefin Technik sagt dazu: „Blut am Pferd bedeutet die Disqualifikation. Wenn sie als Richter Blut sehen müssen sie sofort reagieren.“
- Der Konkurrent ist interessiert an einer sachlichen Beurteilung seiner Vorführung. Ihre kurze Beurteilung sollte aufbauend und keinesfalls verletzend sein.
In diesem Moment sagt Christine Dolder: „Man muss auch mit dem Herzen und dem „Bauch“ richten. Die Bewegung, die Technik, und auch wichtig, das Gesamtbild, sollte genau so angeschaut werden wie die einzelne Lektion. Richten ist auch eine Gefühlssache“. - Das Richten von eigenen Schülern sollten Sie, wenn möglich vermeiden. An Qualifikationsprüfungen, Sichtungen und Meisterschaften dürfen Sie dies keinesfalls tun.
Die Runde fängt sofort das Diskutieren an. Ein heikles Thema in der Schweiz. Steffy Kuriger sagt dazu: „Wir haben 98 Richter. Wenn wir alle abziehen würden, die keinen Unterricht geben und keine Schüler haben hätten wir noch 8 Richter.“
Unter den 19 Interessierten sitzen verschiedene Menschen aus verschiedenen Berufen. pferdonline hat sich drei „Kandidaten“ herausgepickt:
Joe Rust (42), Coiffeur, St. Gallen
„Ich bezeichne mich selber als absoluten Turnierjunkie. Am liebsten wäre ich jedes Wochenende auf einem Turnier. Ich bin voll motiviert fürs Richten, ja ich möchte das unbedingt machen. Ich habe ein 5-jähriges Pferd und reite derzeit in den GAS. Klassierungen habe ich bis L16 vorzuweisen.“
Anita Cattin (56), Medizinische Praxisassistentin, Bettlach
„Ich reite sehr viel und habe den Vereinstrainer gemacht. Mir würde Richten sehr viel Freude machen. Für mich persönlich ist die Richterei sehr interessant, weil ich mich gerne weiterbilden möchte. Das Richten ist eine neue Facette im und um den Pferdesport herum. Ich selber reite momentan bis in die Stufe M.“
Urs Schelker (44), Reitlehrer, Bern
„Ich bin seit 20 Jahren angestellt im NPZ in Bern und bin selber gesprungen bis Grand Prix. Ich bin mein ganzes Leben lang Reitlehrer und bin noch aktiver Springrichter. Es gehört für mich zu einer kompletten Ausbildung, dass man auch Dressurrichten kann und darf. Ich habe vor fünf Jahren vermehrt angefangen Dressur zu reiten und bin vollends fasziniert vom Dressurreiten – eigentlich möchte ich nur noch Dressurreiten.“
Zum Schluss wurde gefragt wer sich denn nun wirklich interessieren würde um den Richteranwärter zu machen. Zwei Drittel war sich ganz sicher, ein Drittel etwas unsicher.
Eines muss man sich bewusst sein, wenn man Dressurrichter werden möchte: Der Job frisst ganze Sonntage und man wird auch gerne mal angefeindet. Der „Lohn“ liegt pro Prüfung zwischen Fr. 100.—und Fr. 150.– und ist sehr zeitintensiv. Denn wenn man sich dafür entscheidet, dann sollte man auch dieses Amt mit Herzblut ausführen.
Doch was ist denn die Leidenschaft des Richtens? Margret Dreier bringt es auf den Punkt: „Ich finde es spannend Pferde und Reiter, vom jung auf zu beobachten wie sie sich entwickeln.“
Der Weg vom Interessenten zum Richter – wie weiter?
Normalerweise wird eine GA 05 als Eintrittsprüfung gerichtet. Ebenso kommen ca. 25 schriftliche Fragen dazu. Nach bestandener Eintrittsprüfung ist der RA (Richteranwärter) im 1. Jahr berechtigt sämtliche Prüfungen von GA 01 bis GA 10 zu richten. Im 2. und 3. Jahr auch die Programm der Kat. L. Nach frühestens 3 Jahren kann sich der RA zur L-Prüfung anmelden. Der RA muss an der Prüfung eine L 11 oder 12/13/14 als C-Richter beurteilen. Wiederum mit 25 Theoriefragen. Nach bestandener Prüfung ist der L-Richter befugt sämtliche Programme der Kategorie L sowie als Aspirant die M-Programme zu richten. Für die Prüfung zum M-Richter muss er mind. 2 Jahre als L-Richter tätig gewesen sein mit mind. 15 Einsätzen als M-Anwärter. An der M-Prüfung wird ein höheres Programm der Kategorie M gerichtet. Hat er die Prüfung bestanden, kann er bereits als Aspirant auch die Prüfungen der kleinen S-Tour richten. Für die Prüfung zum S-Richter muss der M-Richter wiederum 2 Jahre als M-Aspirant tätig gewesen sein.
Genauere Details finden Sie hier.
Text und Bilder: Gina Kern