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Einreiten-Halten nicht nur für Turnierreiter. Von Britta Schöffmann.

17. September 2014, in Reportagen

Auf der Mittellinie einreiten, X halten, Grüssen. Eine An- und Herausforderung nur für den Turnierreiter? Mitnichten. Zwar gehören Einreiten und Grussaufstellung zu jeder Turnieraufgabe, doch die so einfach klingende Übung macht auch für den Nicht-Turniersportler Sinn. Denn hiermit lässt sich super überprüfen, ob man sein Pferd wirklich geradegerichtet an den Hilfen hat und ob man mit ihm – ganz wichtig – im Gleichgewicht ist.

Die auf den ersten Blick so simple Lektion besteht zunächst mal aus einer Folge von unterschiedlichen Anforderungen, die jede für sich viel über die Signalgebung des Reiters und die Durchlässigkeit des Pferdes aussagen:

Da ist zum einen das korrekte Abwenden auf die Mittellinie. Klingt einfach, geht aber trotzdem häufig im wahrsten Sinne des Wortes daneben. Zu früh oder zu spät abgewendet, neben der Mittellinie, schwankend, beim Abwenden eng werdend – dies sind die typischen Fehler. Perfekt ausgeführt wendet der Reiter sein Pferd je nach Anforderung in Schritt, Trab oder Galopp auf einem Kreisbogen, der einer Viertelvolte entspricht, in gleichbleibendem Takt, Rhythmus und in steter Anlehnung um seinen inneren Schenkel herum präzise ab. Die Mittellinie dabei wirklich korrekt zu treffen erfordert ein wenig Übung.

Eingeleitet wird die Wendung, wie jede andere Lektion auch, mit einer halben Parade, die das Pferd aufmerksam macht und gleichzeitig ein wenig mehr von hinten heranschließt und minimal das Tempo heraus nimmt. Dieses „Aufnehmen“ hilft dem Pferd, auch in der Wendung im Gleichgewicht zu bleiben. Denken Sie hier einfach ans Autofahren: Hier käme auch niemand auf die Idee, eine 90-Grad-Kurve zu fahren, ohne einen Gang zurück zu schalten… Um den optimale Wendung zu reiten, sollte der Blick des Reiters zunächst auf A gerichtet sein. Je versammelter das Tempo, desto kleiner und näher Richtung A wird der Viertel-Kreisbogen angelegt. Nach der aufnehmenden halben Parade stellt der Reiter sein Pferd durch Eindrehen des inneren Handgelenkes nach innen. Gleichzeitig wird es um den inneren, am Gurt liegenden Schenkel gebogen, die innere Schulter des Reiters geht leicht zurück die innere Hüfte leicht vor. Der äußere, leicht verwahrend zurückgenommene Schenkel hält die Hinterhand in der Spur. Die äußere Hand gibt ein wenig vor, ohne jedoch die Verbindung aufzugeben, und kontrolliert so die äußere Pferdeschulter (Zusammenspiel innerer Schenkel/äußerer Zügel = diagonale Hilfengebung).

Das richtige Timing des Abwendens erfordert ein bisschen Übung und hängt auch ein wenig von der Durchlässigkeit und Geschmeidigkeit des jeweiligen Pferdes ab. Kleiner Tipp: Stellen Sie sich anfangs bei A etwa einen Meter vom Hufschlag entfernt ein Pylonen-Tor links und rechts der Mittellinie auf, durch das Sie reiten.

Die nächste Herausforderung liegt im schnurgeraden Reiten entlang einer Linie ohne Anlehnung an eine Begrenzung. In dem Moment, in dem das Pferd zu wenden beginnt, sollte der Blick des Reiters bereits Richtung C gehen, so dass man quasi auf seiner eigenen ‚Blick-Linie‘ entlang reitet, während beide Zügel gleichmäßig anstehen und beide Unterschenkel am Gurt liegen. Kleiner Tipp: Den Blick nicht von C nehmen, sondern stur geradeaus blicken! Diesen Fixier-Trick nutzen auch Tänzer, um ihr Gleichgewicht zu halten. Wer aufs Pferd schaut oder in der Gegend umher blickt läuft Gefahr, die Linie zu verlassen. Außerdem auf der Mittellinie das Tempo minimal erhöhen, dies beugt der Neigung zum Schwanken vor. Bei jungen, noch unausbalancierten Pferden, kann es außerdem helfen, die Fäuste ein wenig auseinander zu nehmen und die Zügel etwas breiter zu führen, um das Pferd seitlich zu unterstützen.

Eine gelungene ganze Parade sowie korrektes Halten sind die nächsten Hürden, die Mängel in Ausbildung und Hilfengebung enttarnen. Die häufigsten, vom Reiter verursachten, Fehler sind: Parade abrupt, gegen die Hand oder auf der Vorhand, Halten schief, neben der Mittellinie, nicht geschlossen oder mit Unruhe. Perfekt dagegen wäre, wenn der Reiter sein Pferd aus der Vorwärtsbewegung ohne großen Aufwand in gleichbleibender Anlehnung umgehend zum Halten bringt, so dass es schnurgerade und gleichmäßig alle vier Beinen belastend still steht. Von vorn sind optimalerweise nur zwei Beine zu sehen. Um dies zu erreichen, muss die ganze Parade sanft, aber bestimmt durchgeführt werden. Dazu wird das Pferd kurz vor X wieder mit halben Paraden vorbereitet und geschlossen, so dass seine Hinterhand ein wenig mehr Last aufnehmen kann. Der Reiter treibt dazu mit beiden etwa am Gurt liegenden Beinen gleichmäßig nach vorn Richtung seiner Zügelhände, gibt einen Bruchteil einer Sekunde später mit beiden Fäusten eine durchhaltende (Fäuste anspannen) Zügelhilfe, um gleich danach die Zügelfauste wieder zu entspannen und leicht werden zu lassen. Die einzelnen Hilfen – Treiben, Annehmen, Nachgeben – greifen ineinander und werden zeitlich versetzt gegeben, aber so schnell aufeinander folgend, dass sie wie eine Hilfe aussehen.

Last but not least sind das Halten samt Gruß ebenfalls nicht ganz so einfach, wie es klingen mag, denn hier sollte das Pferd unbeweglich wie ein Denkmal stehen. Das erfordert Konzentration vom Reiter, der gerade und ausbalanciert sitzen muss und sein Pferd nicht durch ungewollte Gewichtseinwirkung aus dem Gleichgewicht bringen darf. Der Gruß ist letztlich die ultimative Überprüfung der Anlehnung und Losgelassenheit des Pferdes sowie der Koordination des Reiters. Hier werden nämlich die Zügel zunächst in eine Hand genommen werden und anschließend wieder aufgenommen, ohne dass die Anlehnung oder ein Zügel verloren geht. Das Pferd sollte sich weder frei machen, noch mit dem Kopf schlagen, sich ausgiebig seine Umgebung anschauen oder herumzappeln.

In einer Dressurprüfung wäre eine gelungene Grußaufstellung vor und nach der Vorstellung wie die Visitenkarte eines Reiters. Beim täglichen Training wäre sie die Überprüfung all der oben beschriebenen Abläufe und dem Reiter Hinweis auf den Erfolg (oder Misserfolg) seiner Ausbildungsarbeit. Und beim Geländereiten könnte ein sicheres, ruhiges und entspanntes Halten und Stehenbleiben an einer Ampelkreuzung lebensrettend sein.

Text: Britta Schöffmann