Es heißt immer, Dressur zu verstehen, sei kompliziert. Als Isabell Werth heute zum elften Mal den Deutsche Bank Preis in der Aachener Soers gewann, hat sie mit der Oldenburger Stute Weihegold die Faszination Dressur fühlbar gemacht.
Als Isabell Werth und Weihegold das Deutsche Bank Stadion betraten, wurde es still. Dann erklangen die fröhlichen Italo Popmelodien, die die Kür der beiden Weltcup-Sieger untermalen und Weihegold begann zu tanzen. Dressur kann so einfach sein: Von der Passage in die Piaffe und wieder raus und wieder zurück und wieder raus, immer im Rhythmus, ein Tritt wie der andere, in vollkommener Losgelassenheit. Aktuell gibt es weltweit kein Pferd, das der Oldenburger Don Schufro-Tochter in diesen Lektionen das Wasser reichen kann. Wie Dr. Evi Eisenhardt, Chefrichterin bei C, es ausdrückt: „Meine Kollegen und ich hätten uns heute gewünscht, auch Elfen und Zwölfen geben zu können.“ Unter anderem hätten sie damit nämlich die Übergänge von Weihegold und Werth bedacht. In der ganzen Kür leistete die Stute sich nicht einen einzigen Patzer. Das Ergebnis: nahezu 90 Prozent, nämlich genau 89,675. Nach der letzten Grußaufstellung war es vorbei mit der sakralen Stille. Das Publikum tobte, gab der sechsfachen Olympiasiegerin stehende Ovationen. Werth selbst bestätigte nach ihrem Ritt: „Ich hatte heute ein super Gefühl. Sie war vom ersten bis zum letzten Moment bei mir, die Abstimmung war perfekt. Ich wollte heute an Omaha anknüpfen (wo sie im Frühjahr mit derselben Kür das Weltcupfinale gewonnen hatte, Anm. d. Red.) und ich denke, das ist uns gelungen.“
Cosmo, der fliegende Holländer
Noch einmal hatten die Richter den Wunsch, die Notenskala nach oben öffnen zu können, nämlich als Sönke Rothenberger und sein Königlich Niederländischer Warmblut-Wallach Cosmo im starken Trab übers Viereck flogen. Der erst zehnjährige Van Gogh-Sohn zeigte heute, was in ihm steckt. Und das ist noch weit mehr als starker Trab. Sönke Rothenberger: „Ich bin wirklich wirklich glücklich! Heute hat Cosmo sein ganzes Potenzial für Piaffe und Passage gezeigt!“ Und Sönkes Mutter Gonnelien, die unter anderem 1996 olympisches Silber mit der niederländischen Dressurmannschaft gewann, bestätigte: „Ich glaube, Cosmo hat heute demonstriert, wo es noch hingehen kann.“ Tatsächlich haben der 22-Jährige und sein zehnjähriger Wallach eine Karriere gemacht, dass einem schwindelig werden kann. Im Schnelldurchlauf: Vom Junge Reiter-Lager über die ersten Grand Prix-Starts hin zum ersten Teameinsatz beim CHIO 2016 und von dort nahtlos zu Mannschaftsgold bei den Olympischen Spielen in Rio. Im vergangenen Jahr durften die beiden in der Kür noch nicht antreten, weil sie viertbestes deutsches Paar waren. Und nun lieferten sie 85,750 Prozent und wurden Zweite im Deutsche Bank Preis 2017. Vor der Olympia-Vierten des vergangenen Jahres. Man könnte sagen: ein „cosmischer“ Aufstieg, dessen Ende noch nicht in Sicht ist.
Bitte nächstes Jahr wiederkommen!
Platz drei ging an die große Herausforderin aus Übersee, Laura Graves auf Verdades. Die beiden haben eine ganz ähnlich rasante Karriere hinter sich wie Sönke Rothenberger und Cosmo. 2014 waren sie erstmals in der Soers am Start. Niemand kannte sie. Danach waren die ehemalige Friseurin, die ihren Job für ihr Pferd und ihren Traum vom internationalen Dressurviereck an den Nagel gehängt hatte, in aller Munde. Und nun, drei Jahre später sind sie nach Aachen gereist mit einem klaren Ziel vor Augen: Isabell Werth schlagen! Gestern im Grand Prix Special um den MEGGLE-Preis gelang ihnen das. Aber heute sollte es nicht sein. Der 15-jährige KWPN-Wallach v. Florett As begann stark, aber dann schlichen sich in der Galopptour Fehler ein, die das Ergebnis auf 82,550 Prozent zusammenschrumpfen ließen. Laura Graves konnte ihre Enttäuschung nicht verbergen. Nachvollziehbar! „Ich hoffe nur, dass ich noch einmal eingeladen werde“, scherzte sie tapfer in der Pressekonferenz.
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