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Von den Emotionen überMANNt. Warum Steve Guerdat auch ein Roger Federer ist. Und warum Tränen menschlich sind.

14. Dezember 2016, in Aktuell, Newsticker

Ich finde es cool, die Tränen der Männer. Immer wieder weinen Männer. Steve Guerdat hatte feuchte Augen bei der Verabschiedung seines Nino des Buissonettes am Sonntag in der Palexpo-Halle in Genf. Verständlich. Welch emotionaler Moment. Sportler ringen gerne mal mit den Tränen. Auch bei wichtigen Siegen oder Niederlagen. Die Erleichterung bringt manchmal auch Tränen. Ein Zieldurchlauf. Wir kennen Tränen von Roger Federer. Bei ihm haben wir uns längst daran gewöhnt – Tränen gehören zu Emotionen und Emotionen gehören zum Sport. Manchmal sind sie bitter. Manchmal voller Freude.

Es sind die Tränen der Männer, die uns Frauen auch zu Tränen rühren. Oder: Wann haben Sie zum letzten Mal eine Frau in der Öffentlichkeit weinen gesehen? Ich nicht.

Mir gefällt der Vergleich Guerdat und Federer. Zugegeben, ich kenne Roger Federer seit Kindheit und besser als Steve Guerdat. Als Tennisjournalistin war ich lange und viel mit ihm unterwegs. Steve kenne ich weniger gut und viel weniger lange. Aber auch er fasziniert mich auf seine Art. Geheimnisvoll sind sie beide. Gutaussehend auch. Sie haben Ausstrahlung. Charisma. Eine natürliche Autorität. Und die nötige Sensibilität.

Beide sind hochtalentiert. Sie haben ihr Talent in die Wiege gelegt bekommen. Und, sie haben etwas daraus gemacht. Sie arbeiten hart für ihren Erfolg und sie achten genau auf ihre Gesundheit bzw. auf die Gesundheit ihres Sportpartners. Sie beide können durchbeissen, auch wenns mal nicht so rund läuft.

Federer ist im Sternzeichen Löwe geboren. Genauer am 8. August 1981. Auch wenn Sternzeichen nicht nicht für alle Menschen gleich aussagekräftig sind – Fedi ist ein Löwe. Früher hat er gebrüllt auf dem Tennisplatz. Den Schläger in die Ecke geschmissen, wenns nicht rund gelaufen ist. Heute hat er gelernt damit umzugehen. Er kämpft ohne aufzugeben, sein Talent, sein Spielwitz und seine perfekte Technik helfen ihm ein echter Superstar zu sein. Dazu kommt sein absolut professionelles Verhalten auch neben dem Tennisplatz. Den Medien, den Sponsoren, den Fans gegenüber.

Steve Guerdat ist ein halbes Jahr jünger als Federer. Er ist am 10. Juni 1982 geboren. Er ist Sternzeichen Zwilling. Er versteht es, seine vierbeinigen Partner zum fliegen zu bringen. So auch seinen Nino des Buissonettes, sein Olympiapferd, mit dem er in London Gold gewinnen durfte. Sein Gefühl ist einmalig. Er spürt, was andere nie erlernen können. Die Dankbarkeit seinen Pferden gegenüber war über all die Jahre spürbar – bei keinem anderen Reiter kommt dieses Gefühl rüber. Guerdat verteidigte sich und seine Pferde wie ein Löwe. Auch er musste kämpfen gegen die unbegründeten Dopingvorwürfe. Auch da kullerten Tränen. Es machte ihn so unendlich menschlich.

Und auch Federer vergoss all die Jahre immer wieder Tränen. Egal ob bei einem Sieg wie in Basel, oder bei einer Niederlage in Wimbledon (Final 2014). Die Tränen kullerten. Und er war den Tränen nahe, als er in Biel dieses Jahr die Roger Federer Allee einweihen durfte. Von den Emotionen übermannt. Es macht den grossen Star lebendig. Menschlich. Am härtesten getroffen habe ihn die Niederlage gegen Tommy Haas im Jahr 2000 an den Olympischen Spielen von Sydney, weil er dadurch den Final und eine sichere Medaille verpasst hatte. «Ich rollte mich in einer Ecke zusammen und weinte lange, obwohl ich gar nicht der Favorit gewesen war.» Tags darauf, nachdem er auch das Spiel um Bronze gegen Arnaud di Pasquale mit einer schwachen Leistung verloren hatte, habe er erneut lange geweint.

Steve Guerdat dürfte Olympia ähnlich emotional treffen. Sein Sieg in London rührte ihn zu Tränen, wie vielleicht die verpasste Medaille in Rio. Zusammenkullern ist auch da keine Schande.

Guerdat mit Federer zu vergleichen ist nicht vermessen. Beide führten die Weltrangliste in ihrem Sport an. Beide sind hoch talentiert. Beide sind fleissige Sportler. Haben Ehrgeiz und die nötige Portion Emotionalität und Sensibilität.

Danke Steve. Und danke Roger. Ihr bereichert mit eurem Charisma den Schweizer Sport und dessen Ausstrahlung in die Welt hinaus. Da gehören Tränen einfach dazu.

Gina Kern

 

Beitragsbild: Steve bei der Verabschiedung von Nino in Genf Foto: Valeria Streun