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Steve Guerdat: „Ich würde keinen CHIO verpassen wollen – selbst wenn es in Aachen nur Blumen zu gewinnen gäbe.“

14. Juli 2016, in International, Springen

Steve Guerdat ist Olympiasieger, konnte in diesem Jahr zum zweiten Mal in Folge das Weltcupfinale gewinnen – und reitet beim Weltfest des Pferdesports, CHIO Aachen 2016, um seinen zweiten Majorsieg in Folge im Rolex Grand Slam of Show Jumping. Ein Interview über große Momente des Sports, ein Pferd zwischen Genie und Wahnsinn und die Faszination Aachen.

Sie sind zwar erst 34 Jahre alt, zählen im Sport mit all Ihren Erfolgen jedoch schon zu den „Alten Hasen“. Können Sie sich denn überhaupt noch an Ihren ersten CHIO Aachen erinnern?
Ich komme ja aus einer Reiterfamilie. Mein Vater Philippe ist selbst beim CHIO Aachen geritten, von daher war ich schon als kleiner Junge mit ihm hier. Ich war schon von klein auf ganz fasziniert von großen Sport-Events und habe immer davon geträumt, mal ein Teil des CHIO Aachen zu sein – natürlich nicht als Zuschauer, sondern als Reiter. Das erste Mal ist mir das 2001 oder 2002 gelungen, und obwohl ich vorher ja schon oft als Zuschauer dabei war, hat das Turnier aus der Sportlerperspektive meine Erwartungen völlig übertroffen. Das geht mir immer noch so. Beim CHIO Aachen habe ich nicht jedes Jahr Gänsehaut, wenn ich ankomme, sondern jeden Turniertag aufs Neue. Die Leute sind so enthusiastisch, das Publikum, die Atmosphäre sind unglaublich. Selbst als Topveranstaltung des Sports setzt Aachen alles noch einmal auf ein neues Level.

Als Olympiasieger von 2012 ist Ihnen bereits ein Platz auf der Starterliste des Rolex Grand Prix am Sonntag sicher. Sie müssen also nicht die üblichen Qualifikationsprüfungen während der Turnierwoche durchlaufen. Ist das eher ein Vor- oder Nachteil, wenn der Druck erst zum Finale da ist? Immerhin geht es ja am Sonntag um Ihren zweiten Majorsieg im Rolex Grand Prix und einen Bonus von 500.000 Euro zusätzlich zum Preisgeld…
Natürlich bin ich froh, dass ich mich nicht mehr qualifizieren muss und der Druck nicht gleich zu Beginn der Turnierwoche auf mir lastet. Für all meine Pferde ist es das erste Mal hier in Aachen, sie sind an die Atmosphäre nicht gewöhnt und je mehr Springen wir zur Eingewöhnung haben, desto besser. Natürlich würde ich den Rolex Grand Prix gerne gewinnen, aber es ist nicht das große Geld, das mich motiviert. Es ist die große Bühne hier in Aachen. Es sind die begeisterten Zuschauer, die mich anfeuern, wenn ich ins Stadion reite. Es ist die Stimmung, es ist der tolle Sport. Selbst wenn es hier in Aachen nur Blumen statt Preisgeld zu gewinnen gäbe, ich würde trotzdem keinen CHIO verpassen wollen!

Mit welchem Pferd möchten Sie am Sonntag den Großen Preis bestreiten?
Ich plane mit Corbinian, mache es aber auch davon abhängig, wie er sich heute im Mercedes-Benz Nationenpreis zeigt. Das wird eine große Prüfung für ihn heute Abend! Wenn er sich da gut schlägt, bin ich zuversichtlich, dass er auch am Sonntag gut ist. Er ist ein tolles Pferd mit allen Möglichkeiten. Aber er ist auch ein sehr emotionales, mitunter auch schreckhaftes Pferd. Er kann den ersten Teil eines Parcours brillant meistern und dann ist da ein Geräusch oder er sieht etwas, das ihn irritiert – und dann wird er nervös. Ich arbeite immer noch daran, den Schlüssel zu finden, um ihn in solchen Situationen optimal zu unterstützen. Von daher bin ich sehr gespannt, wie der Nationenpreis heute für uns ausgeht.

Interview: Nils Knippertz