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Siegerhengst wegen Chip abgekört – wie ist das in der Schweiz?

22. Dezember 2015, in Reportagen

In Deutschland versuchte jemand eine Chipoperation seines Hengstes zu vertuschen. Der Hengst wurde gekört und prämiert. Nun wurde bekannt, dass der Hengst an beiden Sprunggelenken Chip operiert wurde. Der Hengst wurde abgkört und der neue Käufer steht mit einem ungekörten Hengst da. Wie ist das in der Schweiz und warum sind Chips in der Zucht nicht erwünscht? Wir fragen nach. 

20 Hengste wurden bei der diesjährigen Körung des Deutschen Sportpferdes in Kreuth für die Zucht zugelassen . Besonders gut geschlagen hatte sich laut Medienberichten unter den dressurbetonten Hengsten der Sohn des Dream on-Florestan I mit dem Namen Day of Dreams. Er bekam ein positives Körurteil plus Prämie, so sein Ergebnis am vorletzten Wochenende. Dies musste der ZfDP-Verband nun jedoch widerrufen. Denn erst nach der Veranstaltung wurde bekannt, dass der fünf Jahre alte Rappe bereits eine Chip-OP an beiden Sprunggelenken hinter sich hat. Das führt laut Satzung zum Ausschluss von der Körung und in diesem Fall von der Aberkennung des Titels. Und es könnte noch mehr Ärger geben: denn auch der Käufer des Hengstes wusste nichts von diesem Eingriff und hat zudem nun einen nicht-gekörten Hengst im Stall stehen.

Warum sind denn Chips, also losgelöste Knochenfragmente im Gelenk, besonders in den Sprunggelenken so gefährlich? Tierarzt und Experte Marco Hermann führt aus: „Es gilt in der Zucht die genetische Veranlagung auszumerzen. Chips sind vererbbar, nicht alle Chips allerdings im gleichen Maas.“ Das heisst, ein Chip in der Fessel ist nicht so dramatisch wie ein Chip im Sprunggelenk? „In den Sprunggelenken ist die Vererbung am klarsten bewiesen. Das heisst, eine Vererbung ist am längsten und besten bekannt.“

Beim Verband des ZVCH sei man sehr sensibel auf Chips bei Hengsten. Deswegen werden die Hengste vor der Körung genau geröntgt. Früher wurden laut Hermann nur Sprunggelenk und Strahlbein geröntgt, ist sind Fesseln und Knie auch im Programm mitdabei. So sind Hengste für den ZVCH mit OCD (Osteochondrosis dissecans) im Fesselgelenk noch tauglich für die Zucht: „Ein Chip ist okay, zwei nicht mehr“, so Hermann.

Der Niederländische Zuchtverband hat 2011 einen Zuchtwert OCD eingeführt. Die Holländer schliessen keine Pferde von der Zucht aus, aber veröffentlicht die Zuchtwerte, die für jedermann zugänglich sind. Die Veröffentlichung der Ergebnisse war zwar kritisch, wurde jedoch vom Verband konsequent durchgeführt – den Rest regelt der Markt. So wird verhindert, dass hocherfolgreiche Vererber von der Zucht ausgeschlossen werden. Darüber hinaus hat der Züchter mehr Informationen zur Hand und kann selbst entscheiden. Für den Aufbau einer Datenbank werden pro Hengst jährlich 20 vom KWPN zufällig ausgewählte Jährlinge auf OCD geröntgt. Diese Daten bilden die Grundlage für die Zuchtwertschätzung.
OCD und die Entstehung von Chips
Bei der Entstehung von Chips erfolgt im Verlauf des Wachstums an der Gelenkfläche eine lokale Störung beim Prozess der Verknöcherung des wachsenden Knorpels. Der Knorpel wird an dieser Stelle dicker. Da Knorpel nicht mit Blutgefäßen durchzogen ist, erfolgt die Ernährung ausschließlich durch Diffusion aus der Umgebung. Wird der Knorpel zu dick, werden die Distanzen zu groß und der Knorpel wird in der Tiefe nicht mehr ausreichend ernährt. Initial kommt es zu einer anormalen Differenzierung der Knorpelzellen und der Produktion einer fehlerhaften interzellulären Matrix (Knorpelgrundsubstanz). Im weiteren Verlauf führt die Unterversorgung zum Absterben des Knorpels in der Tiefe. Die Region wird instabil und es bilden sich u.U. Risse in der Gelenkfläche. Wenn sich diese weiter ausdehnen, kommt es zur Ablösung und damit zur Entstehung eines Chips. Die Chips bleiben entweder in ihrem sogenannten Chipbett angeheftet an Ort und Stelle oder lösen sich komplett und schwimmen dann frei im Gelenk.  Bei Pferden unter einem Jahr kann Spontanheilung erfolgen, sofern sich die Gelenkfläche bzw. der Chip nicht vollständig gelöst hat. Bei Pferden über einem Jahr erfolgt keine Spontanheilung mehr. Die verletzte Knochenstruktur oder auch der Chip selbst reizen das Gelenk. Dies führt zu einer erhöhten Produktion von Gelenkschmiere und einem stark gefüllten Gelenk. Wo möglich bilden sich Gelenksgallen, die ein Hinweis auf das Vorliegen einer OCD sein können. Die Gelenksgallen sind auch für den Laien ersichtlich.

Beitragsbild: Avenches, 15.11.2011. Hengstkoerung des Zuchtverband CH Sportpferde. Klinische Untersuchung im Nationalgestuet durch Marco Hermann. Foto: Valeria Streun.