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Rückenprobleme – Volkskrankheit beim Pferd?

20. April 2016, in Medizin, Reportagen

Ein Grossteil der Bevölkerung leidet an Rückenschmerzen. Auch unsere Pferde leiden sehr häufig an Rückenerkrankungen, sei es jung oder alt, Freizeitpferd oder Sportpferd. Rückenschmerzen bei Pferden führt häufig zu Leistunsgminderung oder sogar zur Unrittigkeit. Die Symptome der Rückenerkrankungen sind sehr vielfältig und unspezifisch. Die Diagnostik ist schwierig und häufig mit hohen Kosten verbunden. Rückenprobleme werden mit Hilfe von folgenden Hilfsmittel untersucht: Röntgen, Szintigraphie, Ultraschall, Thermographie und lokal Anästhesie. Wobei wichtig zu erwähnen ist, dass nicht jede gefundene radiologische Veränderung auch zu Schmerzen führt.

Die Anatomie des Rückens ist sehr kompliziert; allein die Wirbelsäule besteht aus ca. 260 Gelenken! Der Rücken besteht aus Knochen, Muskeln, Bänder, Sehnen und Nerven, welche alle eng Zusammenspielen. Der Rücken bildet die Brücke zwischen Vor- und Nachhand und besteht aus 18 Brustwirbel, 6 Lendenwirbel, 5 fusionierte Kreuzwirbel und ca. 20 Schwanzwirbel. Die Zwischenwirbelgelenke, die straffen Bänder und die Rückenmuskulatur ermöglichen dem Rücken zwar eine gute Stabilität, aber wenig Beweglichkeit. Zwischen den einzelnen Wirbelkörper liegen die Bandscheiben, welche im Gegensatz zum Menschen keinen Kern besitzen, wodurch der Bandscheibenvorfall beim Pferd auch theoretisch nicht möglich ist. Das Kreuzbein ist mit dem Becken verbunden und bildet so das Kreuzbein-Darmbein-Gelenk (Iliosacralgelenk). Über dieses Gelenk gelangt der Schub über den Rücken zum Pferdemaul. Das Pferd muss wie auf dem Bild unten von hinten nach vorne an die Reiterhand heranziehen können, dies geht nur über den Rücken.

Gilles Ngovan Bern (1)

Eine wichtige Konstruktion des Pferderückens ist die obere und untere Verspannung. Die obere Verspannung setzt sich aus der Wirbelsäule, Bänder (Nackenband) und der Rückenmuskulatur zusammen. Die obere Verspannung wird aktiviert, wenn der Kopf und Hals sich nach vorne dehnen und die Hinterhand unter den Schwerpunkt tritt – der Rücken hebt sich an. Die untere Verspannung besteht aus der unteren Halsmuskulatur und der Bauchmuskulatur, welche bei Kontraktion ebenfalls den Rücken anhebt. Unter der Losgelassenheit versteht man aus Sicht des Pferderückens den Zustand, wo sich der Rücken frei bewegen kann und nicht als Lastträger benötigt wird. Sobald die obere Verspannung vom Reiter nicht genützt werden kann, muss das Pferd das Reitergewicht mit Hilfe der dafür ungeeigneten Rückenmuskulatur tragen und so können Rückenprobleme entstehen.

Rückenprobleme haben viele Ursachen, eine der häufigsten Ursachen ist aber der Reiter selbst. Weitere Ursachen sind: Konformation des Rückens, Verletzungen, Unfälle (Stürze!), schlechter Sattel, Überbelastung.

Wie kann man Rückenprobleme feststellen? Betroffene Pferde zeigen häufig: Sattelzwang, Probleme beim Aufsitzen, „Katzenbuckel“ oder durchgedrückter Rücken, offenes Maul, Zähneknirschen, Kopfschlagen beim Reiten, Pferd geht nicht am Zügel, extreme Schiefe, abnorme Schweifhaltung, fehlende Balance, Steifheit, Pferd ist schlecht biegbar, Bewegungsstörungen: verminderter Schwung, Zehenschleifen, Lahmheit (v.a. im Schritt und in den Traversalen), Umspringen hinten im Galopp, Muskelschwund, Unzufriedenheit (Auge!), Widerstand/Verteidigung, Unberechenbarkeit und viele andere mehr.

Die Therapiemöglichkeiten erstrecken sich von Ruhe/Weide, Entzündungshemmer, manuelle oder physikalische Therapien, über Kortisoninjektion direkt ins Gelenk. Am besten ist aber die Prophylaxe: gymnastizierende Förderung der Bauchmuskulatur und Dehnungsfähigkeit des Rückens durch bergabreiten im Gelände, Stangenarbeit, viel Galopparbeit und ein passender Sattel.

Wichtig zu wissen ist aber auch, dass Rückenprobleme auch sekundär zu einem anderen Problem, wie z.B. Zahnproblem, Lahmheit entstehen kann.

Text: Päivi Nussbaumer, Tierärztin