Die Schweizer Dressurreiterin Birgit Wientzek Pläge gehört mit For Compliment zum Elite-Kader Dressur. Letztes Jahr nahm sie mit dem imposanten dunkelbraunen Wallach in Aachen an den Europameisterschaften teil. Zu Hause betreibt sie mit ihrem Mann einen Ausbildungsstall in Balm bei Günsberg (Solothurn). Mein Tag. Birgit Wientzek Pläge.
„Der Tag beginnt sehr früh. Um halb sechs wache ich auf, obwohl mein Wecker erst um halb sieben klingelt. Ich versuche noch etwas zu schlafen, weil ich einen langen Tag vor mir habe. Als Lehrerin ging ich früh in die Schule und hatte abends frei. In der Reiterei musste ich mich erst an einen neuen Rhythmus gewöhnen. So richtig gelungen ist mir das auch nach 18 Jahren nicht.
Meine Tage beginnen damit, dass ich meinen Jack Russel Rüden Ari herauslasse und mit meinem Mann Christian frühstücke. Für mich gibt es Joghurt mit Früchten, dazu Saft und Kaffee. Dann gehe ich die Mails durch. Zwischen halbacht und neun bin ich im Stall, den wir als Ehepaar zusammen betreiben. Bis dahin haben unsere vier Angestellten schon die Boxen gemacht.
Ich reite möglichst früh For Compliment, um mir Zeit für ihn zu nehmen. Fast nur ich reite ihn. Ich kenne seine Stärken und seine Schwächen. Und er kennt meine auch. Es ist wie verheiratet zu sein – erfahrungsgemäss nicht immer ganz einfach (lacht). Im Moment konzentriere ich mich mit ihm auf Piaffen und Passagen. Er hat eine riesengrosse Übersetzung. Wir arbeiten daran, dass er mehr zurückkommt, mehr Kraft, mehr Energie aufbaut.
Mein Mann, unser Team und ich teilen jeden Tag neu auf, wer welches der 30 Pferde unserer Kunden reitet. Oft reiten Kunden aber auch selbst unter unserer Aufsicht mit. Wenn ich mich auf ein Kundenpferd setze, spüre ich erst, wie es läuft. Jedes Pferd braucht eine andere Einwirkung, das ist spannend. Und wenn ich mal einen schlechten Tag mit einem Pferd habe, freue ich mich einfach auf das nächste.
So arbeiten wir gemeinsam bis abends durch. Ungesund, ich weiss. Aber wir tragen die Verantwortung für unseren Stall, unsere Kunden, unser Team. Mein Alptraum wäre, die Löhne einmal nicht zahlen zu können. Das verleitet oft dazu, selbst kürzer zu treten. Mittlerweile versuche ich bewusst, mir Zeiten für mich herauszunehmen. Zum Beispiel auf Turnieren achte ich darauf, nicht zu viel andere zu trainieren, sondern mich auf meinen Ritt zu konzentrieren. Das ist gar keine leichte Übung.
An manchen Tagen gebe ich noch auswärts Unterricht. Dann komme ich erst um zehn Uhr heim. An anderen arbeite ich ab fünf Uhr in unserem Büro, das muss auch gemacht werden. Wenn ich zwischendurch Hunger bekomme, mache ich mir etwas Kleines in unserer Stallküche, ein Käsebrot oder einen Salat. Lief der Tag gut, bin ich abends richtig erfüllt. Um herunterzufahren, setze mich sehr gern mit einem Glas Wein auf unsere Terrasse. Wir wohnen 300 Meter oberhalb des Stalls, mit Blick über die Koppeln. Oft grasen neben den Pferden sogar Rehe, weil gleich nebenan der Wald beginnt. Das ist wunderschön, viel schöner als Fernsehen. Unser freier Tag ist der Montag. Dann schlafen wir aus, haben Zeit für uns, den Hund, den Garten. Und dann reden wir auch mal über andere Themen als unsere grosse gemeinsame Leidenschaft, das Reiten“.
Aufgezeichnet von Ann-Kathrin Schäfer