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Mein Tag. Andy Kistler.

13. Juli 2016, in Mein Tag, Springen

Andy Kistler ist der Equipenchef der Schweizer Springreiter. Nach dem Sieg im Nationenpreis von Falsterbo (SWE) und vor den Olympischen Spielen in Rio, möchten wir den Fokus einmal nur auf Andy Kistler werfen. Wer ist der Mann „hinter“ dem grossen Erfolg unserer Schweizer Springreiter? Mein Tag. Andy Kistler.

„Meine Tage sind sehr unterschiedlich, je nachdem ob ich mit der Mannschaft unterwegs bin. Ein normaler Tag zu Hause beginnt bei mir gegen sieben Uhr. Als erstes schalte ich die Kaffeemaschine an und trinke meinen Kaffee, dann hole ich die Zeitung. Mittlerweile habe ich mir angewöhnt, am Morgen Müsli zu essen. Eigentlich bin ich kein Frühstückesser, aber es geht mir so einfach besser. Am wichtigsten ist es mir meine jüngste Tochter zu verabschieden. Sie ist die einzige meiner vier Kinder, die noch zu Hause lebt, zusammen mit ihrem Freund. Um 7 Uhr 15 geht sie zur Arbeit. Danach starte ich den Computer und bearbeite meine E-Mails. Die meiste Büroarbeit steht montags an. Dann komme ich oft von einem Turnier nach Hause und arbeite alles auf. Sprich, ich bedanke mich für den Event, an dem wir teilnehmen durften. Ich studiere die Resultate des Wochenendes. Und ich überlege mir, wie es weitergeht. Wichtig ist natürlich, Meldeschlüsse der Reiterinnen und Reiter nicht zu verpassen. Da arbeite ich eng mit unserem Verband zusammen und erhalte somit eine gute Unterstützung.

Manchmal stehen am Vormittag auch noch Termine der Unternehmen an, in denen ich vor allem als Verwaltungsrat tätig bin. Das sind Projektsitzungen oder Verwaltungsratssitzungen. Drei Viertel meiner Zeit widme ich aber meiner Hauptaufgabe, Equipenchef der Schweizer Springreiter zu sein. Das heisst, ich pflege den Kontakt zu den Reitern, den Besitzern, den Veterinären, den Organisatoren, dem Verband und der Presse. Mir ist wichtig, dass sich die Besitzerinnen und Besitzer vor allem der Nationenpreispferde als Teil des Teams fühlen. Wenn ich mitbekomme, dass jemand krank ist oder ein Geburtstag ansteht, dann rufe ich an oder schreibe eine SMS. Besonders wichtig sind natürlich die Telefonate mit den Reiterinnen und Reitern. Was ich dabei gar nicht mag, ist jemandem, der seine Sache gut macht, sagen zu müssen, dass es nicht reicht mitzukommen, weil ein anderer noch besser ist. Ich bespreche mich zwar im Vorfeld mit dem technischen Coach unseres Teams, Thomas Fuchs. Aber das sind nicht die schönsten Momente. Deshalb habe ich es mir zum Ritual gemacht, jeden Tag erst die schlechten und dann die erfreulichen Telefonate zu führen.

Ich habe das Privileg, dass ich meine Agenda frei einteilen kann. Ab und zu holt mich zwar die Realität ein, wenn es mal wieder mehr zu tun gibt als man denkt. Trotzdem ist es mir wichtig, Zeit für meine Familie einzuplanen. Vier, fünf Mal pro Woche fahre ich mit meiner Frau Mountainbike oder Rennrad oder wir gehen joggen.

Mitt Gattin Agnes beim Biken (bei der Einkehr) (1)

Das sind Passionen, die wir miteinander pflegen, meist über Mittag. Seit dem 20. Februar habe ich noch eine neue, wunderbare Aufgabe. Ich bin das erste Mal in meinem Leben Grossvater geworden. Wenn ich mit meinem Grosskind spazieren gehen darf, gehe ganz stolz einen Kaffee trinken, um sie vorzuzeigen.

Jeden Abend um 18 Uhr besuche ich meine Mutter im Altersheim. Wir geniessen die Zeit immer sehr zusammen. Etwa um sieben gehe ich nach Hause. Dann hat meine Frau schon gekocht und wir essen alle zusammen mit meiner Tochter und ihrem Freund. Danach arbeite ich noch ein bisschen und lese Zeitung. Wir schauen meist noch „10 vor 10″ und Sport und dann ist es schon Zeit, schlafen zu gehen.

An vielen Wochenenden bin ich auf Turnieren unterwegs. Dann verbringe ich Zeit mit dem Team und organisiere alles. Wir sind in den zwei Jahren, in denen ich Equipenchef bin, als Team zusammengewachsen. Ich versuche den Reiterinnen und Reitern zu helfen weiterzukommen, im Sportlichen, im Persönlichen, im Mentalen. Vor allem teilen wir den Anspruch, immer besser zu werden und unter den besten nach vorne zu kommen. Diesen Ehrgeiz hatte ich schon in meinem Berufsleben, das passt also hervorragend zusammen. Im Sport ist einfach alles heftiger, direkter, emotionaler als im Geschäftsleben. Auch im Business wollten wir die Nummer eins im Markt sein. Aber im Sport entscheidet sich innerhalb einer Minute alles. Ich fiebere einfach für die Sache mit, ich bin mit Herzblut dabei. Es ist für mich nach meiner Karriere in der Wirtschaft eine richtige Bereicherung und ich fühle mich privilegiert, Equipenchef der Schweizer Springreiter zu sein“.

Aufgezeichnet von Ann-Kathrin Schäfer