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Brisant: Ist Reiten wirklich so gefährlich? Eine Analyse mit Zahlen und Fakten

6. August 2014, in Reportagen

Der tödliche Sturz des deutschen Vielseitigkeitsreiters Benjamin Winter in Luhmühlen mitte Juni hat die Reiterwelt aufgerüttelt. Es wurde allen wieder bewusst, wie gefährlich unser Sport sein kann. Aber halt. Ist Reiten wirklich so gefährlich?

In der Schweiz reiten knapp 140 000 Personen im Alter von 10 bis 74 Jahren. Rund 90 Prozent aller Reiter sind Frauen. Ende 2012 waren in der Schweiz zudem knapp 9000 Pferdehalter und über 58 000 Pferde registriert.

Es gibt – obwohl der Sport immer wieder als gefährlich eingestuft wird – relativ wenig tödliche Unfälle. 2000 – 2013 erlagen 31 Personen im Pferdesport ihren tödlichen Verletzungen. Wie die bfu Beratungsstelle für Unfallverhütung in ihrer  «Sicherheitsanalyse zum Pferdesport in der Schweiz» schreibt, verunglückten 80 Prozent der Getöteten beim Reiten 14 Prozent im Umgang mit dem Pferd. Vier Personen starben beim Training eine Person bei einem Wettkampf.

Da sehr viele Frauen reiten – 85 bis 90 Prozent sind Reiterinnen – liegt der Frauenanteil der getöteten Person bei über der Hälfte. Im Vergleich der Anzahl Frauen die den Sport ausüben und des Anteils der Verletzten nach Geschlecht ist interessant, dass prozentual mehr Männer im Pferdesport tödlich verunglücken. Die meisten Getöteten sind in den Altersklassen der 30-39 sowie 50 bis 59 jährigen. Es verunglückten in der Schweiz (2000 – 2013) keine Kinder unter 13 Jahren tödlich.

Spitzenreiter der tödlichen Sportunfälle in der Schweiz das Bergwandern mit 632 Toten. Pferdesport ist gleichauf mit Schneeschuhlaufen – 31 Tote.

Die Entwicklung der Anzahl Getöteter nach Sportart Jahr 2000 – 2103 hier.

Zum Unfallhergang: Fast alle Unfälle im Pferdesport sind Stürze vom Pferd. Immer wieder verfangen sich die Reiter im Steigbügel und werden vom Pferd mitgeschleift. Der zweithäufigste Unfallhergang sind Huftritte. Auch führen Kolissionen mit Fahrzeugen im Strassenverkehr zu dramatischen Unfällen. Der Umgang mit dem Pferd ist gefährlich: Führen, Ausladen, Füttern, Beschlagen.

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Sturz mit glimpflichen Folgen gehört zum Pferdesport dazu. Hier Spitzenreiter Kevin Staut. Bild: Daniel Kaiser

Ein Blick in die Disziplinen zeigt, dass Rennreiten und Vielseitigkeit am gefährlichsten eingestuft wird. Hier besteht das grösste Verletzungsrisiko an der Wirbelsäule und am Kopf (Schädel-Hirntrauma). Aber auch Rippenprellungen und Frakturen sind bei diesen beiden Disziplinen sehr häufig. Im Springen ist das Verletzungsrisiko etwas geringer. Hier stehen Adduktorenzerrungen, Rippenprellungen, Schädel-Hirn-Traumen und Knochenbrüche zuoberst. Weniger gefährlich eingestuft wird Dressurreiten, hier sind chronische Rückenschmerzen häufig, ebenso beim Distanzreiten. Ebenfalls als relativ ungefährlich gilt Voltige, hier sind zählen Bandverletzungen und Fraktionen des Knöchels zu den Verletzungen.

Schwerwiegender sind Unfälle, die zur Querschnittlähmung führen. Im Schweizerischen Paraplegiker-Zentrum in Nottwil wurden letztes Jahr 191 Patienten zu einer Erst-Reha eingeliefert. Die Reitunfälle stehen an 7. Stelle in der Statistik des Schweizerischen Paraplegiker-Zentrums. Auf Position 1 sind Autounfälle. Dann folgen Unfälle im Haushalt. Stürze mit dem Motorrad sind am dritthäufigsten. Ebenfalls zu Querschnittlähmungen führen laut dem Paraplegikerzentrum Badeunfälle und Skiunfälle. An 7. Stelle folgen die Reitunfälle. Die drei häufigsten Einlieferungsgründe – Autounfälle, Stürze im Haus und Motorradunfälle wechseln sich als Spitzenreiter ab.

Im Pferdesport verletzten sich jährlich rund 8000 Personen so schwer, dass sie sich in ärztliche Behandlung begeben müssen. Im Vergleich zu anderen Sportarten stellt man aber fest, dass der Pferdesport eine geringe Verletzungshäufigkeit aufweist.

Am meisten Verletzungen im Sport passieren beim Fussballspielen, Eishockey, Baseketball, Landhockey. Aber auch Snowboardfahren, Handball und Squash ist in der Statistik noch weiter oben zu finden als der Pferdesport.

Fakt ist: In den letzten Jahren haben die Reitunfälle mit tödlichem Ausgang in der Schweiz abgenommen. Und auch die Zahl der Unfälle ging zurück. Vielleicht weil der Sicherheit mehr Aufmerksamkeit beigemessen wurde: Helmobligatorium auf den Abreiteplätzen in der Dressur, Airbag-Schutzwesten in der Vielseitigkeit, und allgemein eine höhere Sensibilität im Bezug auf die Sicherheit im Pferdesport.

Beitragsbild oben: Benjamin Winter mit seinem Ispo in Luhmühlen.