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Asthma beim Pferd – gewusst, dass es das gibt? Fakten dazu.

5. Juni 2015, in Medizin

Viele Pferde leiden an Asthma. Gleichzeitig scheinen asthma-anfällige Tiere besser gegen Parasiten geschützt zu sein. Beides ist genetisch bedingt – eine Erkenntnis, die auch dem Menschen zugute kommen kann.

Pferde sind natürliche Athleten, Lauftiere, deren Leistungsfähigkeit auf gesunden Atmungsorganen beruht. Bei Spitzenleistungen kann das Pferd sein Atemminutenvolumen um das Dreissigfache auf bis zu 2000 Liter pro Minute erhöhen. Dabei wird in den Alveolen, den Lungenbläschen, eine Fläche von der Grösse eines Fussballfeldes belüftet.

Wie beim Menschen, sind auch beim Pferd Störungen der Lungengesundheit sehr verbreitet. Das häufigste schwerwiegende Krankheitsbild ist dabei die rezidivierende Atemwegsobstruktion, das Asthma, von dem rund 10 Prozent der Pferde betroffen sind. Der Hauptgrund für diese Atemwegserkrankungen liegt in den Haltungs-bedingungen an die das Pferd nicht natürlicherweise angepasst ist: Die Pferde verbringen oft einen Grossteil ihrer Zeit im Stall und sind dort verschiedenen reizenden und allergenen Stoffen aus dem Heu- und Strohstaub ausgesetzt. Als Folge der Domestikation werden Pferde also einer viel grösseren Menge von inhalierten Partikeln ausgesetzt als sie das als ursprüngliche Steppentiere gewohnt waren. Empfindliche, vor allem erblich belastete Tiere, entwickeln dann oft das «Pferdeasthma».

Am Anfang ist der Husten

Die Besitzer werden sich des Problems in der Regel erst dann bewusst, wenn ihre Pferde wiederholt husten oder in der Leistung deutlich nachlassen. Vorgängige Warnzeichen, wie vereinzeltes Husten, werden von den Besitzern oft unterschätzt. So kann es soweit kommen, dass ein Pferd, welches einst eine Spitzenleistung erbrachte, mit der Zeit in der Leistung nachlässt, immer öfters hustet, Nasenausfluss zeigt und schlussendlich schon in Ruhe eine pumpende Atmung und Atemnot entwickelt.

Wird ein solcher Patient der Tierärztin/dem Tierarzt vorgestellt, wird zuerst die Lunge in Ruhe und auch nach Belastung abgehört, wobei auf anormale Lungengeräusche, wie Pfeifen und Rasseln, geachtet wird. Weiter wird die Grösse des Lungenfeldes durch Abklopfen des Brustkorbes bestimmt. Das Lungenfeld ist bei diesen Pferden aufgrund einer chronischen Überblähung der Lungenbläschen oft vergrössert. Um die Diagnose zu sichern und den Schweregrad der Erkrankung zu beurteilen, wird eine Spiegelung der Luftwege durchgeführt. Zur Beurteilung der Sauerstoff-versorgung wird arterielles Blut entnommen. Weitere Untersuchungsmassnahmen in der Klinik sind das Röntgen, welches die Beurteilung geschädigter Lungenbereiche erlaubt, und Lungenfunktionsmessungen, die über die mechanischen Eigenschaften der Lunge Auskunft geben.

 Kein Heu, frische Luft

Um die dauerhafte Gesundung des Pferdes zu sichern, muss die Behandlung mit Kortikosteroiden (starke Entzündungshemmer), Bronchodilatatoren (Bronchialkrampf lösende Medikamente) und Schleimlöser von einer konsequenten Haltungs-verbesserung begleitet werden. Das Heu muss durch andere Raufuttermittel ersetzt, gegebenenfalls muss auch eine spezielle allergenarme Einstreu verwendet werden und das Pferd sollte so viel Zeit wie möglich an der frischen Luft verbringen. Allerdings können diese Massnahmen die Erkrankung meist nur unterdrücken, aber nicht heilen. Die obengenannten, aufwändigen Haltungskorrekturen müssen aus diesem Grund meistens lebenslang beibehalten werden.

Schon vor fast hundert Jahren wurde beobachtet, dass gewisse Hengste und Stuten die Krankheit vererben. Allerdings fehlten zu diesem Zeitpunkt Wissen und Technologie, um diese Beobachtungen weiter zu verfolgen. Mit Hilfe modernster genetischer Methoden wird an der Pferdeklinik Bern der erbliche Hintergrund dieser Lungenerkrankung untersucht.

Übergeordnetes Ziel dieser Forschung ist es, durch frühzeitige Erkennung und Vermeidung risikoreicher Paarungen nachhaltig die Lebensqualität der Tiere zu verbessern. Darüberhinaus bietet sich das Asthma des Pferdes als einmaliges «natürliches» Modell für umweltbedingte, allergische Atemwegserkrankungen beim Menschen an.

Nachkommen sind auch gefährdet

Im Rahmen dieser Projekte wurden zwei Hengste identifiziert, welche an «Pferdeasthma» leiden. Die Nachkommen dieser Hengste wurden untersucht. Dabei zeigte sich: Die Nachkommen der erkrankten Tiere haben ein ungefähr 5-fach höheres Risiko selber an «Pferdeasthma» zu erkranken, als andere Pferde. Aus Blutproben wurde die Erbsubstanz isoliert und mittels einem sogenannten «Gesamt-Genom-Scan» untersucht. Bis jetzt wurden zwei Abschnitte auf verschiedenen Chromosomen identifiziert, die stark mit dem «Pferdeasthma» in Verbindung gebracht werden.

Faszinierend ist die Entdeckung eines Kandidatengens in einer dieser Chromosomenregionen, welches neben dem Pferdeasthma auch eine wichtige Rolle in der Abwehr gegen parasitäre Würmer spielt. Die Nachkommen eines Hengstes mit «Pferdeasthma» scheinen resistenter gegen Darmparasiten zu sein. Das Risiko für einen hochgradigen Befall mit Darmparasiten ist bei ihnen viel kleiner, als bei anderen unter genau gleichen Bedingungen gehaltenen Pferden.

Dies erinnert an die sogenannte «Hygienehypothese», welche einen umgekehrten Zusammenhang zwischen dem Kontakt mit Krankheitserregern einerseits und der Häufigkeit allergischer Erkrankungen andererseits postuliert. Dieser Hypothese liegt die Beobachtung zugrunde, dass die Häufigkeit von Allergien mit dem Industrialisierungsgrad (und damit den Hygienestandards) von Ländern und Bevölkerungsgruppen zusammenhängt. Auch innerhalb von Europa hat man herausgefunden, dass beispielsweise Kinder mit älteren Geschwistern, Kinder, die in die Kinderkrippe gegangen sind, sowie Kinder, die im bäuerlichen Milieu aufwachsen deutlich weniger Allergien zeigen als der Durchschnitt.

Ein Vorteil wird zum Risiko

Die Beobachtungen bei unseren für «Pferdeasthma» anfälligen Nachkommen führen uns zu einer «genetischen Hygienehypothese». Wir vermuten, dass gewisse Gene, wie das von uns identifizierte Kandidatengen, in der Evolution der Pferde unter natürlichen Bedingungen einen Selektionsvorteil ergaben, da diese Pferde besser gegen Parasiten geschützt sind. Mit der Zeit aber wurden die Pferde domestiziert und damit in einer Art und Weise gehalten, in der diese Gene keinen Vorteil mehr darstellen, sondern vielmehr ein erhöhtes Risiko für allergische Erkrankungen, insbesondere das «Pferdeasthma», nach sich ziehen.

Autoren:  Vinzenz Gerber und Päivi Nussbaumer

Dieser Artikel ist erstmals erschienen in Unipress 138, Forschung und Wissenschaft an der Universität Bern, Oktober 2008.