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Andrina Suter bei Isabell Werth: „Was ist ihre Leidenschaft fürs Reiten, Frau Werth?“ Ein Interview und ein Erfahrungsbericht.

18. Januar 2016, in Dressur, National, Newsticker

Dieses Wochenende hatte der Schweizer Dressurnachwuchs eine besondere Ehre: Dank dem Förderprogramm, das von Chefin Heidi Bemelmans auf die Beine gestellt wurde, durfte der Nachwuchs mit der besten Dressurreiterin aller Zeiten trainieren. Sechs olympische Medaillen, sieben WM- und 14 EM-Medaillen, darüber hinaus acht mal Deutsche Meisterin – den Titel „Dressur-Königin“ hat sich Isabell Werth redlich verdient. Dabei hat sie, wie die meisten Reiter, ganz klein angefangen. Und ihr grosses Können versuchte sie dem Schweizer Nachwuchs mitzugeben. Die Schaffhauserin Andrina Suter ist mit ihrem 17-jährigen Schimmelwallach Axiom Mitglied des U25 Kaders – dies ist der Einstieg in den ganz grossen Sport – dem Grand Prix. Andrina Suter beschreibt ihr Training mit Isabell Werth und hatte die Möglichkeit mit Hilfe von pferdonline, ein persönliches Interview aus der Sicht eines Nachwuchsreiters zu führen. 

 

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„Mit Isabell Werth trainieren zu dürfen war ein riesen Erlebnis. Ich war nicht nervös, aber doch etwas aufgeregt. Mache ich alles richtig? Verstehe ich, was sie meint? Kann ich es auch rasch umsetzen? Jeder Trainer hat seine eigene Sprache und dementsprechend muss man sich auch etwas daran gewöhnen. Die Aufwärmphase habe ich alleine absolviert. Es ging direkt los mit Lektionen. Am ersten Tag zog Axiom nicht so richtig vors Bein. Ich musste Traversalen reiten und musste aufpassen, dass er nicht abkippt. Unglaublich wie früh Isabell schon sehen konnte, ob die Traversale schön gelingt oder eben nicht. Ich musste öfters wieder abwenden bis ich optimal an die Lektion herankam und sie dann auch ausführen konnte. Es wurde mir einmal mehr klar, Erfolg ist kein Zufall. Da ist Präzision dahinter – unglaublich. Am zweiten Tag war Axiom nicht mehr so klemmig. Ich kam flotter zum Reiten und sie zeigte mir in der Piaffe-Passage-Tour spannende Tricks. Zum Beispiel: Die Peitsche halten wie ein Zinnsoldat und einfach mal etwas wedeln und ihn so aufmerksam machen.

 

Es hat unglaublich viel Spass gemacht mit Isabell zu trainieren und es hat mir imponiert, dass sie wirklich den Finger drauf hatte, bis etwas gut war. Es lag ihr etwas am Herzen uns etwas zu lernen. Und eine Erkenntnis nehme ich auch aus diesem Training mit nach Hause: Es gibt nichts anderes als mit dem inneren Bein an den äusseren Zügel zu reiten. Das muss man sich immer wieder bewusst werden und ist in der Ausbildung mit jungen Pferden das A und O“.

 

Andrina Suter und pferdonline: Die Reitstunde hat unglaublich viel Spass gemacht. Leider war Axiom manchmal etwas klemmig….
Isabell Werth: Dein Schimmel hat mir eigentlich sehr gut gefallen und du bist auch eine sehr talentierte Reiterin. Bei solchen Blockaden muss man herausfinden, warum er das tut. Ist er einfach nur frech oder hat er Angst. Ich muss mir jeweils innerhalb von kürzester Zeit ein Bild machen von Reiter und Pferd. In solchen Trainings kann ich versuchen Schadensbegrenzung zu machen und kleine Schlüssel zu finden. Ich bin mir bewusst, dass vieles auch Tagesformabhängig ist. Aber ich finde es super, du kannst viel von diesem Pferd lernen. Das ist eine super Schule auch für die Ausbildung für junge Pferde die du reitest. Bei einem 17-jährigen Pferd ist es fast unmöglich das Rad neu zu erfinden, da muss man selber erfinderisch werden. Und lieber er klemmt und du lernst was dabei, ist doch gut so!

Wie hat Ihnen das Niveau des Schweizer Nachwuchses gefallen?
Ingesamt war ich von dem Niveau sehr überrascht. Zum einen vom reiterlichen Niveau, aber auch von den Pferden. Da hats Reiter dabei, die mit ihrem Pferden ins Championatsniveau hineinwachsen. Estelle mit Friedrich der Grosse hat mir sehr gut gefallen. Aber auch Stefanie Hartmann hat ein sehr lektionssicheres Pferd, das ist natürlich toll. Ich war wirklich super positiv überrascht.

Wie weit weg sind wir Schweizer Nachwuchsreiter von der internationalen Spitze – zum Beispiel von Deutschland?
Deutschland hat eine sehr starke und breite Basis. Das geht los bei den Pferden, über die Züchter, die Turniere, die Trainer – das ist ein ganzes Paket das unglaublich breit abgestützt ist. Es kommen Nationen nach wie Schweden und Dänemark. Da ist die Zucht schon stark. Dies ist in der Schweiz nicht so. Es ist normal, dass sich die Schweiz an anderen Zuchtnationen bedienen müssen, es fehlt an der Breite. Aber es ist sehr erfreulich, welch tollen Strukturen hier in der Schweiz eingeführt wurden. Da hat Heidi ein echt guter Job gemacht. Es besteht nun eine sehr gute Basis und jetzt muss man schauen, dass sich das so weiterentwickelt. Von den Children oder den Ponys in die Junioren, zu den Jungen Reitern hin zu U25. Das Ziel ist dann natürlich, dass auch die Elite breiter wird.

Haben wir nicht genug Pferde? 
Doch! Pferde laufen genug rum! Und es gibt ja auch Schweizer Sponsoren die im Dressursport investieren. Es muss für Sponsoren interessant werden Euch Pferde zur Verfügung zu stellen! Frau Meyer von Marcela Krinke Susmelj ist eine top Sponsorin! Oder Beatrice Bürchler, ihr gehört Unee. Und was wäre ich ohne Madeleine Winter Schulze? Man muss die Leute dazu bringen zu sagen: Komm, das probieren wir mal…. Zudem müssen mehr Pferde an ihre Reiter gebunden werden. Wenn mal ein tolles, erfolgreiches Pferd ausgebildet wird auch Durchhaltevermögen haben und nicht sofort verkaufen. Die Züchter und Sponsoren müssen den Mut haben jungen Reitern gutePferde zur Verfügung zu stellen. Aber dafür müsst ihr auch auf die Leute zugehen und Willen zeigen. Ihr müsst die Kontakte von Heidi nutzen. Ich konnte kürzlich ein Pferd für meine Bereiterin „sichern“, das ist unglaublich wichtig. Zudem musst du als Profi schauen, dass du dir mal ein gutes Nachwuchspferd kaufen kannst und dies ausbilden kannst.

Ich bin nun 24 Jahre alt. Sagen Sie mal, wo standen Sie denn mit 24 Jahren?
Ich habe mit 20 Jahren mein erstes Championat geritten bei den Senioren. Das war 1989, die EM in Mondorf (Holland) als wir mit dem Team direkt Gold gewannen. Aber schlussendlich ist es nicht eine Frage des Alters, wann man wo steht. Ich hatte einfach das Riesenglück, dass ich von Dr. Schulten Baumer die Gelegenheit bekam seine Pferde zu reiten.

Haben Sie eigentlich ein Lieblingspferd?
Für mich ist es schwierig zu sagen, das ist mein Lieblingspferd. Aber Bella Rose ist ein ausgesprochen spezielles Pferd. So ein Pferd hatte ich zuvor noch nie. Ihr Bewegungsablauf gibt mir ein wahnsinns Gefühl. Sie hat einen wunderbaren Charakter und ist extrem ehrgeizig. Sie will und will und will… Es ist manchmal auch schwierig diese Energie zu kanalisieren. Sie ist ein herausragendes Pferd mit einer Ausstrahlung die jeden begeistert.

Eine Frage habe ich noch.Was ist eigentlich ihre Leidenschaft für diesen Sport? Was macht unseren Sport aus?
Das ist schwierig mit Worten zu beschreiben. Mich haben Pferde in meinem Leben immer fasziniert. Meine Eltern waren einfache Landwirte und haben Pferde gezüchtet. Vielleicht ist es die Inspiration des ersten Wechsels das ein Pferd springt. Oder die ersten Piafftritte. Der erste Grand Prix Sieg. Es ist nicht das oder das. Es gibt so viele einzelne Momente an denen ich mich Freuen kann. Das kann auch sein, dass El Santo brav durchläuft…. Es ist nicht nur der Sport. Es sind nicht nur die Siege. Klar ist es schön zu gewinnen. Mir macht die Arbeit mit den Pferden, die Ausbildung wahnsinnig viel Spass. Aber auch ein Glücksgefühl für mich ist es, wenn meine drei Rentner zusammen auf der Weide stehen und ich denke: Wooow – das sind 25 Goldmedaillen! Ein wunderbarer Moment.

Interview: Andrina Suter
Beitragsbild: Valeria Streun
Video: Andrina Suter