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Warum durfte Janika Sprunger nicht im Einzelfinal reiten, Andy Kistler? Das Interview.

23. August 2016, in Newsticker, Rio 2016

Die Schweizer Springreiter machten Rio für den Fernsehzuschauer zum Erlebnis. Kann Steve Guerdat seinen Titel verteidigen? Kann er grosse Pferdesportgeschichte schreiben? Wen nominiert Equipenchef Andy Kistler fürs Einzelfinale. Wir fieberten mit. Wir litten mit. Wir schrien vor dem Fernsehr als Guerdats Stange fiel. Und wir weinten Tränen mit Janika Sprunger. Warum der Equipenchef so oder so entschied und wie er die Situation vor Ort erlebte – hier das Interview mit Andy Kistler.

pferdonline: Andy Kistler, die Olympischen Spiele sind vorbei. Sind die Menschen und die Pferde gut nach Hause gekommen?
Andy Kistler: Wir sind alle gut wieder nach Hause gekommen: Pferde, Reiter, Pflegerinnen, die ganze Begleitung inklusive der mitgereisten Pferde-Besitzer. Aber etwas traurig…….

Warum traurig?
Wir waren nahe dran an der Medaille. Ganz besonders im Einzelfinal, wo Steve Guerdat mit Nino des Buissonnets nur ganz knapp die drei ersten Plätze verpassten. Auch im Nationenpreis waren wir nahe. Wir vergaben die Medaillenchance im ersten Durchgang mit zwei mal 8 Punkten.  Das Positive das wir mitnehmen können. Es war toller hochstehender Spring-Reitsport der in Rio geboten wurde. Das Niveau war Weltklasse und wir waren mittendrin. Unsere Leistungen waren gut, aber ohne Exploit. Und die Stadien waren voll, begeisterte mitfiebernde Zuschauer und tolle Fernsehbilder gingen in die ganze Welt.

Wie war der Tag des Einzelfinals? Erzählen Sie.
Im ersten Durchgang hatten unsere Reiter Romain, Martin und Steve die Start-Nummern 12-14. Leider ging es bei Romain und Quorida nicht gut. Dafür resultierten bei Steve mit Nino und bei Martin mit Clooney zwei tolle Nullfehler Runden. So waren zwei unsere Paare in der zweiten Finalrunde, wo 13 Paare die gleiche Ausgangslage hatten. Leider hatten Clooney und Martin einen Abwurf zu verzeichnen, sie waren sonst sehr souverän unterwegs und es hätte ganz weit nach vorne reichen können. Nino und Steve qualifizierten sich toll für das Stechen zu dem 6 Paare antreten konnten. Leider und zu unserem Entsetzen fiel die erste Stange und dann noch so knapp und so spät…..So schade – beide starteten als Titelverteidiger und waren so nahe daran ihren Titel von London 2012 gar zu verteidigen. Ein Schritt fehlte zu einer weiteren historischen Sportgeschichte. Auch schade war es, da der Besitzer von Nino Urs E. Schwarzenbach alle Wettkampftage mit anwesend war.

Wie hat Steve mit dem vierten Platz reagiert?
Zuerst natürlich total enttäuscht und dann wie ein wahrer Champion, der er ist.

Was war mit Romain Duguet los? Haben ihn seine Nerven im Stich gelassen?
Es war einfach nicht der Tag von Romain und Quorida de Treho.

Wie stufen Sie die Leistung von Martin Fuchs ein?
„Sackstark“ – wir kennen seine Möglichkeiten schon lange, wir werden mit ihm und unserem Team noch viel Freude haben und tolle Resultate erleben.

Die Nicht-Nomination von Janika Sprunger gab hier in der Schweiz viel zu reden. Sie gab im Schweizer Fernsehen ein sehr emotionales Interview. Sie war sichtlich traurig. Warum fällten Sie Ihren Entscheid so?
Es tut mir sehr leid für sie und alle ihre Angehörigen, den Pferde Besitzer und alle ihre Fans. Unser grosses Ziel war eine Medaille im Team zu erreichen. Wir haben im Voraus besprochen, dass man wenn man einen Fehler machen muss, diesen in der ersten Prüfung einziehen soll und dann die Nuller im Nationenpreis machen soll. Und hier waren Romain und Martin besser als Janika – Steve war ohnehin gesetzt.

Im Interview sagte sie, sie sei von der Mannschaft in dem Moment nicht getragen geworden….
Wir hatten eine tolle Zeit zusammen, die 5 Reiter und ich lebten in einer Wohnung zusammen und haben einiges zusammen gemacht. In diesem Moment war Trost schwierig. Janika war zu Recht sehr enttäuscht.

Böse Zungen behaupten, das Trio Fuchs-Duguet-Guerdat sei am Start gewesen, weil alle drei mit Thomas Fuchs trainieren. Was sagen Sie dazu?
Am Tag vorher wurde ich beim Interview von den Journalisten gefragt, was ich machen würde wenn ich zu entscheiden hätte. Sie machten noch Sprüche wie – wenn ich Romain wähle sei ich ausländerfeindlich, wenn Janika dann frauenfeindlich, wenn ich Martin wähle dann sei ich zu nahe an Thomas Fuchs und Steve hätte eh niemand verstanden. So oder so, ich musste jemanden schwer enttäuschen.

Noch eine persönliche Frage: Wie haben Sie Rio 2016 persönlich erlebt.
Es war ein riesiges Erlebnis. Vielleicht zuerst das Olympische Dorf, wo alle Athleten und Betreuer zusammen wohnen, die Dimension des Anlasses, die Faszination Rio de Janeiro und dann spürt man schon ein Jahr vorher welche übergeordnete Bedeutung im Sport Olympia hat. Die anderen Sportanlässe – wir waren nahe an den anderen Sportstars dran. Aber dann auch das Militär, welches vor allem auf dem Weg zu unserem Stadium so präsent war, das hat uns viel zu denken gegeben. Die perfekte Infrastruktur mit den Stallungen, den Abreitplätzen, dem Stadium. Das Zusammenleben mit dem Team über so lange Zeit, das so gut funktioniert hat und uns zusammen schweisst. Und so vieles mehr.

Interview: Gina Kern
Beitragsbild: Andy Kistler links mit Martin und Thomas Fuchs.