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Rüge des Schweizerischen Tierschutzes! Tristes Dasein für unsere Reitschulpferde

12. April 2016, in Heisses Eisen, Reportagen

Werden Reitschulen ihrer Vorbildfunktion in der Pferdehaltung gerecht? Der Schweizer Tierschutz STS besuchte 15 Reiterhöfe und stellte fest: Während Ordnung, Sauberkeit und der Umgang mit den Pferden mehrheitlich zufriedenstellend bis gut waren, muss bei mehr als zwei Drittel aller Betriebe hinter die Qualität der Tierhaltung ein grosses Fragezeichen gesetzt werden.

Reiten lernt man am besten in einer guten Reitschule. Eine gute Reitschule zeichnet sich nicht nur durch ein angenehmes Klima für Reiterinnen und Reiter aus, sondern vor allem auch durch tierfreundliche Bedingungen für die Reitschulpferde. Dass dies oftmals nicht der Fall ist, zeigen die Resultate einer neuen Recherche des Schweizer Tierschutz STS.

Eine gute Reitschule erfüllt zumindest die gesetzlichen Vorschriften1 in Bezug auf die Pferdehaltung – besser noch die Vorgaben der staatlichen Tierwohlförderprogramme zur besonders tierfreundlichen Stallhaltung (BTS) und zum regelmässigen Auslauf ins Freie (RAUS) – und kann unter anderem durch folgende Parameter bewertet werden:

1. Haltungssystem: In Reitschulen wird ein Pferd mehrheitlich zwei Stunden pro Tag eingesetzt. Die restliche Zeit verbringt das Tier in seiner Stallumgebung. Weil die Schulpferde also die meiste Zeit im Stall leben, hat die Art des Haltungssystems einen besonders wichtigen Einfluss auf deren Wohlbefinden. Pferde verbringen in freier Natur mindestens 16 Stunden mit der Nahrungsaufnahme. Sie sind ständig in Bewegung und leben in gemischtaltrigen Herden. Eine Gruppenauslaufhal- tung mit permanentem Auslauf und regelmässigem Weidegang (BTS und RAUS erfüllt) kommt deswegen den natürlichen Bedürfnissen der Pferde am nächsten. Auch wenn ein Trend zur Gruppenauslaufhaltung feststellbar ist, müssen die meisten Pferde in der Schweiz heute leider noch immer in Einzelboxen ohne freie Bewegung und ohne angemessenen Sozialkontakt herumstehen.

2. Soziale Kontakte: In der Natur leben Pferde in der Herde. Natürlich sind auch in menschlicher Obhut ihre sozialen Bedürfnisse genau so gross und sollten deswegen auch erfüllt werden. Als Op- timalfall wird die Gruppenhaltung betrachtet. Wenn die Pferde einzeln eingestallt werden, ist aus Tierschutzsicht zumindest direkter Kontakt im Auslauf und auf der Weide notwendig. Im weniger tierfreundlichen Fall können die Pferde nur durch die Gitterstäbe oder Weideabtrennungen Körper- kontakt aufnehmen. Hör-, Riech- und Sichtkontakt sind die gesetzlich vorgeschriebenen Minimalanforderungen.

3. Hygiene: Im Stall sollte es hell, luftig und sauber sein. Genügend trockene und saubere Einstreu ist notwendig. Wasser sollte immer vorhanden sein. Optimal ist, wenn jedes Pferd sein eigenes, passendes Sattel- und Zaumzeug zur Verfügung hat. Pferdegerechte und gesunde Futtermittel sind Voraussetzung.

4. Gesundheit: Stall, Auslauf und Weiden müssen periodisch auf mögliche Verletzungsgefahren (z.B. vorstehende Teile, Nägel, angenagte Bretter, etc.) untersucht werden. Weben, Koppen, Beissen und Schlagen deuten auf Langeweile und Verhaltensstörungen hin, was meistens auf das Haltungssystem und fehlende Beschäftigung zurück zu führen ist. Gesunde Pferde haben ein glänzendes Fell ohne kahle Stellen. Unpassende Sättel würden Druckstellen auf dem Fell hinterlassen. Klare Augen, keine verklebten Nüstern und kein Ausfluss sind ebenfalls Hinweise auf eine gute Gesundheit. Die Pferde sollten weder zu dick noch zu dünn sein. Bei gut genährten Pferden kann man die Rippen leicht mit den Fingern ertasten, man sieht sie aber nicht. Die Hufe sind normalerweise regelmässig geformt und weisen keine Risse auf. Hufeisen dürfen nicht wackeln. Kranke Pferde dürfen nicht für den Unterricht eingesetzt werden.

5. Reitstunde: Zur Reitstunde gehören neben dem Reiten auch das Putzen, Satteln und Zäumen des Pferdes vor sowie das Versorgen nach der Reitstunde. Zu Beginn sollten die Pferde 5–10 Minuten im Schritt eingeritten werden. Während der Reitstunde ist die Gehrichtung immer wieder zu wech- seln. Zum Schluss gibt es für Ross und Reiter eine Auslaufphase von 5–10 Minuten.

6. Umgang: Die Pferde sollten gelobt und nicht bestraft werden. Ein ruhiger, sorgsamer Umgang ist Voraussetzung jeder guten Pferdehaltung. Die Zügel sollten locker gehalten werden. Hilfszügel müssen richtig eingesetzt werden, um den Tieren nicht zu schaden. Ein Pferd darf weder angeschrien noch geschlagen werden. Sporen und Peitsche dienen nicht dazu, das Pferd zu bestrafen.

Die 15 Reitschulen wurden vom Schweizer Tierschutz STS durch Zufallsprinzip schweizweit aus- gesucht. Die Testpersonen (alle dipl. Zoologinnen des STS) gaben bei den jeweiligen Reitschulen an, Reitstunden in Betracht zu ziehen. Deswegen konnten sie vorbei kommen und sich ein Bild von den laufenden Reitstunden, dem Stall und der Umgebung machen. In einer normierten Checkliste wurden die oben genannten Aspekte untersucht und dokumentiert. Ställe mit permanentem Auslauf und regelmässigem Weidegang wurden als Optimum betrachtet, sofern auch die anderen Parameter erfüllt wurden. Die nachfolgenden Berichte sind anonymisiert.

Hier geht es zu den Resultaten der einzelnen Betriebe.

Von fünfzehn schweizweit zufällig ausgewählten Reitbetrieben boten lediglich deren vier ihren Pferden artgemässe Haltungsbedingungen in Auslauf-Gruppenhaltung und mit fleissigem Weidegang. Dabei wären ein pferdegemässes Sozialleben und freie Bewegung, insbesondere auf Weiden, für die Ausgeglichenheit von Pferden extrem wichtig. Die verbreitete Einzelhaltung mit eingeschränktem Sozialkontakt und nur wenig freier Bewegungsmöglichkeit stellt jene Haltungsform dar, welche für den Reiter am schadensträchtigsten ist. Derart restriktiv gehaltene Pferde sind oft unausgeglichen, schreckhaft und unberechenbar, was gerade für Reitschüler ein erhöhtes Gefahrenpotential darstellt.

So gesehen ist es bedenklich, dass rund 70 % der besuchten Reitschulen ihre Pferde in beengten Einzelboxen halten, teilweise gar ohne angrenzenden Auslauf. Bei vielen der besuchten Reitschulen waren die sozialen Kontakte zwischen Pferden höchstens durch die Gitterstäbe in den Boxen-Trennwänden möglich. Wenn überhaupt Weide angeboten wird, mussten viele Pferde alleine auf einer kleinen Fläche grasen und dies oft nur an wenigen Tagen, teilweise gar nur an einem Tag, pro Woche. Dem Bedürfnis nach freier Bewegung und Sozialkontakten kann so nicht nachgekommen werden. In einigen Reitschulen wurden Bissspuren an den Stalltüren entdeckt, was klar auf Langeweile respektive Verhaltensstörungen hinweist.

Realität ist offenbar, dass heuzutage noch eine Mehrheit der angehenden Reiterinnen und Reiter ihr Hobby in einem Umfeld erlernen, das klar als nicht tierfreundlich bezeichnet werden muss!

Fazit des STS
Während Ordnung, Sauberkeit und erfreulicherweise auch der Umgang mit den Pferden bei der Mehrheit der besuchten Reitschulen zufriedenstellend waren, teilweise gar gut, musste bei über zwei drittel aller Betriebe hinter die Qualität der Tierhaltung ein grosses Fragezeichen gesetzt werden. Die Realität hierzulande ist offenbar, dass heutzutage noch eine Mehrheit der angehenden Reiterinnen und Reiter ihr Hobby in einem Umfeld erlernen, das klar als nicht tierfreundlich be- zeichnet werden muss.

Die verbreitete Einzelhaltung mit eingeschränktem Sozialkontakt und nur wenig freier Bewe- gungsmöglichkeit stellt jene Haltungsform dar, welche für den Reiter am schadensträchtigsten ist. Derart restriktiv gehaltene Pferde sind oft unausgeglichen, schreckhaft und unberechenbar, was gerade für Reitschüler ein erhöhtes Gefahrenpotential darstellt. Die physisch und psychisch durch die Reitanfänger besonders belasteten Schulpferde sollten vielmehr ein Haltungsumfeld haben, in dem sie sich zwischendurch ausgiebig entladen, aber auch entspannen und unter Pferden Pferd sein dürfen.

Einige wenige Reitschulen irritierten unsere Besucherinnen leider auch mit einem groben Um- gang mit den Pferden während oder ausserhalb der Reitstunden. Dies ist, wie eine nicht pferdege- mässe Haltung, klar abzulehnen. Der STS appelliert an das Verantwortungsbewusstsein der Reit- schulbetriebe in der Schweiz. Sie sollen bezüglich Pferdehaltung und Umgang ihren Schülern als Vorbild dienen und die treue Arbeit ihrer Schulpferde mit einem möglichst artgemässen Leben abgelten. Dies nicht zuletzt auch, um die Sicherheit ihrer Reit-Zöglinge bestmöglich zu gewährleisten. Für Eltern von pferdebegeisterten Kindern ist es wichtig, sich bei der Wahl der Reitschule Zeit zu lassen und auf eine gute Pferdehaltung und einen sorgsamen Umgang mit den Tieren zu achten!

Beitragsbild: Schweizerischer Tierschutz