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Pferd steigt nicht ein! Der Verlade-Albtraum. Wie weiter?

31. Mai 2015, in Lifestyle

Mein Gott. Was haben wir geübt. Diva Dagostina heisst die kleine Perle. Sie ist drei Jahre alt. Pechschwarz mit grossen Kulleraugen. Mit ihr wurde das Verladen zum Albtraum. Einen Schritt nach vorne? Nein danke. Wir standen vor der Rampe, warteten und warteten. Keine Bewegung. Sie hatte weder Angst noch Lust.

Dabei machten wir es wie immer: Ein paar Tage im Hänger füttern, dann steigen die Meisten ein, fressen, Klappe rauf und los. Okay. Einmal klappte dieses Spiel auch mit Diva Dagostina. Wir fuhren los um das junge Stütchen freilaufen zu lassen. Anhalten, ausladen, freilaufen, einladen. Denkste. Nun stand sie da – angewurzelt vor der Rampe eines Anhängers. Keinen Schritt mehr. Da rein? Nein danke. Jeannine ‚zeukelt‘ mit ihren neuen Gutzis die sie vertreibt Namens Diva und Matcho, Rübchen, Gras, Huf für Huf, Schritt für Schritt. Dureschnuufä und locker bllibää! Mal fast drin, dann wieder draussen. Nur nicht die Geduld verlieren lautete die Devise. Nach knapp zwei Stunden starrten wir alle ratlos auf das süsse Geschöpf. Die Kulleraugen offen als würde sie sagen: Stress hab ich nicht, aber da rein? Nein danke. Irgendwann verloren wir die Geduld. Mein Gott du blöde Ziege rein mit dir. Longe, Besen, Klappe rauf. Wir rieben uns die Hände. Endlich. Das kanns aber definitiv nicht sein – nie mehr wollten wir sowas erleben. Erstens ist es sehr gefährlich und zweitens sehr zeitintensiv.

Was machen wir mit unserer dreijährigen Diva Dagostina? Denn was Hänschen nicht lernt…. Druck bringt nichts. So schlau sind wir mittlerweile. Google hilft. Verladetraining Schweiz. Simone Grämiger bietet auf pferdegerecht.ch Verladetraining an. Da steht schwarz auf weiss: „Gerne helfe ich Ihnen dabei, dass Sie Ihr Pferd zuverlässig an jedem Ort und um jede Tageszeit verladen können. Normalerweise ist 1 Training nötig und das Pferd lässt sich danach von Ihnen alleine verladen. Bei traumatisierten Pferden ist mit 2-3 Trainings zu rechnen. Ich zeige Ihnen die Technik, damit Sie in der Lage sind, Ihr Pferd jederzeit zu verladen, auch wenn es eine Weile nicht Hänger fahren musste.“ Genial. Ich rufe an.

Noch bin ich etwas Horsemanship und ähnliches unerfahren, ich lasse mich auf das Experiment ein und freue mich. Wir üben mit dem Selbstfahrer. Seitlicher Einstieg, dann umdrehen. Noch nie war Diva auf dem Selbstfahrer, das Abdrehen im Auto verstand sie nicht. Sobald sie ihr Futter „geklaut“ hatte, rannte sie rückwärts raus.

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Erste Begegnung: Simone Grämiger und Diva Dagostina.

 

Simone zog Diva ein Knotenhalfter über. Ich habe Respekt. Ein Verladetraining mit einem Pferd das man nicht kennt, da kann allerhand passieren. Ich erinnere mich an unschöne Bilder auf dem Turnier. Drei Leute ziehen vorne, fünf schieben hinten, der Gaul stemmt gegen die Longe, steigt, kippt nach hinten. Himmel. Ich darf gar nicht daran denken.

Simone erklärt mir, nach welchem Prinzip sie mit Diva arbeite. Es gehe um die Doug Mills Methode „Training Thru Trust“. Der Selbstfahrer steht offen da. Es gehe um Druck und Loslassen. Das Prinzip sei einfach: Wenn Diva ziehe versucht sie mit leichtem Druck nachzugeben. Das Pferd könne rückwärts soweit es wolle, sie gehe mit, aber der Strick bleibe leicht angespannt. Mache das Pferd einen Schritt vorwärts, lasse sie sofort los. Sofort. Kommt mir bekannt vor. Beim Reiten sollte das auch so funktionieren. Dann hat Simone einen Stock, keine Peitsche. Wenn Diva vor dem Wagen steht und sich nicht rührt, dann klopft sie ihr ständig leicht nervend auf die linke Schulter. Das mögen die Pferde nicht (man erinnere sich an die Herde, sie stupsen sich gerne an Schulter an um sich wegzudrücken). Immer wieder. Irgendwann wird es Diva zu blöd. Sie macht einen Schritt nach vorne. Simone gibt am Strick nach, hört sofort auf zu klopfen. Lob. So geht das Schritt für Schritt. Es kommen Phasen, da beginne das Pferd zu rebellieren, erzählt Simone. Die einen probieren zu steigen, andere wegzurennen. Diva beginnt zu scharren, sie hat keinen Bock mehr. Es ist eine Art Geduldsspiel. Aber wenn die Pferde begriffen haben worum es geht und sie keine Angst haben müssen, sei der grösste Brocken geschafft. Es scheint als brauche das Pferd immer wieder Zeit zu verstehen, was es gerade tut. Und es muss selber ins Fahrzeug reinlaufen wollen.

Nach einer Stunde steht Diva quer auf dem Selbstfahrer. Soweit war ich auch schon. Dann fressen und wieder raus. Aber es hat kein Futter. Diva sucht. Wir bringen etwas Heu. Das Lob mit Futter soll erst kommen, wenn das Pferd drin steht, erklärt Simone. Leuchtet ein. Dann tippt sie die Stute auf der Seite leicht an. Es dauert zehn Minuten bis sich die Stute abdreht, dann umdrehen, ein grosses Lob und die beiden kommen wieder raus.

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Einmal rein, umdrehen und wieder raus!

 

Wow! Hätt ich nicht gedacht. Nun dauere nur noch halb so lange bis sie wieder drin sei, lacht Simone. Wieder steht die Stute vor dem Auto, sie zögert aber nicht lange, sie folgt ihrer neuen „Chefin“ , läuft ins Auto rein. Dreht sich langsam ab und steht ruhig. Simone schliesst die Trennwand, macht alles wieder auf. Kommt raus, steigt ein. Kommt raus, steigt ein. Ich bin baff. Kein lautes Wort. Kein Besen. Keine Longe. Mit Pferdeverstand, Einfühlungsvermögen und einer Portion Weisheit zu Wissen, wie Pferde reagieren. Wie man ihr natürliches Verhalten für uns nutzen kann. Ich bin begeistert – und Diva steigt ab sofort übrigens immer ein.

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Nach knapp zwei Stunden steht Diva Dagostina im Selbstfahrer. Simone Grämiger hat tolle Arbeit geleistet.

Übrigens, Simone Grämiger ist unter pferdegerecht.ch zu finden. Eine Lektion kostet 220 Franken – eine Investition die sich lohnt!