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Mein Tag. Niklaus Rutschi

20. Juni 2016, in Mein Tag, Springen

„Ein Tag zu Hause beginnt für mich zwischen sieben und acht Uhr. Wenn ein Turnier ansteht, klingelt mein Wecker aber auch schon mal um vier. Zu Hause frühstücke ich als erstes mit meinem jüngeren Sohn Fabio und mit meiner Frau. Für mich gibt es Kaffee und Honigbrötli. Dann nehme ich mir Zeit für Büroarbeiten. Spätestens um halbneun bin ich im Stall. Pro Tag reite ich zwischen sechs und acht Pferde. Meine Pfleger wärmen die Pferde auf, so dass ich aufsteigen und loslegen kann. Sprich, sie gehen mit ihnen ins Gelände, longieren sie oder reiten Schritt.

Was ich mit einem Pferd mache, entscheide ich nach meinem Gefühl und wie das Pferd gestimmt ist. Es kommt auch darauf an, was ein Pferd zuletzt gemacht hat, ob es zum Beispiel an einem Turnier war. Bei dem einem macht dann vielleicht Springgymnastik Sinn, bei einem anderen Dressurarbeit, um gewisse Probleme zu lösen. Wen meiner Berittpferde ich reite, ist auch unterschiedlich. Mal sind an einem Tag zwei junge, mal vier ältere, mal drei Grand-Prix-Pferde, mal nur junge dabei. Bei mir ist kein Tag wie der andere.

Eine besondere Beziehung habe ich natürlich zu meinem Windsor. Ich habe ihn selber entdeckt und selber entwickelt. Er ist ein spezielles Pferd in seinem ganzen Wesen, eine richtige Persönlichkeit. Und er hat meiner Familie ermöglicht, nicht nur im Spitzensport mitzumachen, sondern der Konkurrenz auch mal auf die Füsse zu stehen. Wenn Windsor zu Hause im Stall ist, geht es hauptsächlich darum, dass er fit bleibt. Springen geht er dann kaum. Wir gehen hauptsächlich mit ihm ins Gelände oder machen Dressurarbeit. Er ist ja doch häufig unterwegs.

Fabio, Brigitte, Niklaus, Marco Rutschi (1)

Meine Frau ist mir eine grosse Unterstützung in allem, was das Reiten betrifft. Sie kümmert sich um die Büroarbeit und sie springt ein, wenn Not am Mann ist. Ausserdem kocht für die ganze Mannschaft. Mittags essen die Pfleger zusammen im Stall und ich mache zwischen zwölf und halbzwei Pause mit meiner Familie. Dass wir Erfolg haben, liegt nicht nur an mir und Windsor. Ich bin überzeugt: Ohne ein motiviertes Team im Hintergrund ist Erfolg gar nicht möglich. Deshalb versuche ich, eine gute Stimmung im Stall zu halten, auch wenn das natürlich nicht jeden Tag gelingt. Aber ich unterstütze diejenigen, die bei mir arbeiten, sich selbst reiterlich weiterzuentwickeln. Das motiviert sie und es entsteht ein Geben und Nehmen.

Fertig mit reiten bin ich zwischen vier und sechs Uhr abends. Danach gebe ich noch Reitunterricht – bei mir im Stall oder auch auswärts. Zwischen Montag und Mittwoch bin ich deshalb meist erst um zehn oder elf zu Hause. Ich esse oft erst dann. Manchmal ist es mir aber auch möglich, zwischen vier und sechs Uhr etwas zu mir zu nehmen. Meine Frau achtet darauf, dass ich viel Salat und Gemüse, Teigwaren und Fleisch esse. Ich gönne mir am Abend aber auch mal ein Glas Rotwein. Zwischen elf und zwölf gehen bei uns die Lichter aus. Ich brauche meinen Schlaf.

Ab Donnerstag bin ich meistens auf Turnier. Die Wochenenden ohne Turnier sind rar. Das sind im Schnitt nur fünf Wochenenden im Jahr. An diesen seltenen Zeiten pflege ich das Familienleben. Dazu gehört auch ein Ausgleich zum Reitsport. Das heisst, wir gehen Velo fahren, Harley fahren, Ski fahren, schwimmen. Mein älterer Sohn Marco – er ist 22 – ist momentan viel mit mir unterwegs als Pferdepfleger. Er ist fertig mit der Lehre, hat das Militär absolviert und nimmt sich so eine Auszeit. Fabio, mein jüngerer Sohn, ist nicht pferdeinteressiert. Er ist Fussballfan und macht eine Lehre als Sportartikelverkäufer. Ich selbst sollte im Alter meiner Jungs den Metzgerbetrieb meiner Eltern übernehmen. Ich bin sehr froh, dass ich stattdessen mein Hobby zum Beruf machen konnte. Die Entscheidung war richtig für mich, auch wenn das für meine Eltern damals schwer verständlich war. Ich empfehle heute auch meinen Söhnen, das zu machen, woran sie Spass haben. Einen Beruf ausüben zu müssen, für den man nicht brennt, ist schlimm. Der Lohn wird dann zweitrangig“.

Infos zu Niklaus Rutschi hier.

Aufgezeichnet von Ann-Kathrin Schäfer