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Krass. Abgefrackt. Kolumne. Von Pia Piaffe.

19. Dezember 2014, in Blog

„Uniformly impractical“, einheitlich unpraktisch, titelte jüngst Dressage Different in einem Blog-Beitrag Und startete damit einen Frontalangriff auf den Frack. Der Frack als Überbleibsel längst vergangener Zeiten!  Als schweisstreibendes Unding, das uns Dressurreitern ihren Status als Athleten abspricht! Der Frack als Ursprung allen Übels, welches nun sogar die Existenz des Dressursports als olympische Disziplin gefährdet! Krass. Abgefrackt.

Ich muss zugeben, diese Einschätzung hat mich tief getroffen. Ich weiss noch, wie unglaublich stolz ich vor Jahren gewesen war, als ich das erste Mal im Frack ins Prüfungsviereck reiten durfte. Bei über 30°C bin ich meine erste S-Dressur geritten. Schurwolle ist im Hochsommer besonders warm. Noch heute kann ich diesen sommerlichen St. Georg riechen, wenn ich an meinem Frack schnüffle. Imaginär natürlich, denn selbstverständlich war der Frack in der Zwischenzeit diverse Male in der Reinigung. Gebraucht habe ich ihn schon lange nicht mehr. Aber er hängt in meinem Schrank, wo ich ihn manchmal ehrfürchtig herausnehme, anschaue und mir vorstelle, dass ich ihn vielleicht eines Tages wieder tragen werde (was übrigens definitiv ausgeschlossen ist, denn er war vor über 10 Jahren schon zu eng). Wehe also dem, der Kritik am Frack übt!

Unbestritten ist der Frack eng mit dem Dressursport verbunden. Nicht zuletzt steht er – zumindest in meinen Augen – auch für den Kern der Dressurreiterei: Klassische Werte wahren und Traditionen erhalten. Und das ist es, was der Dressursport heute braucht, um seinen Stellenwert zu behalten. Seit hyperflexioniert, blaue Zungen fotografiert, pervers viel Geld für Dressurpferde ausgegeben und schneller Erfolg verbreite vor seriöse Ausbildung gestellt wird, ist die Rückbesinnung auf das eigentliche Ziel notwendiger denn je.

Dass das IOC die Dressur von den Olympischen Sommerspielen verbannen will, liegt bestimmt nicht am Frack, sondern vielmehr an der Komplexität, die unser Sport mit sich bringt. Wie sollen die Zuschauer Notengebungen und Platzierungen verstehen, wenn sie für uns Reiter selbst teilweise nicht nachvollziehbar sind? Und sind die Auswüchse der jüngsten Vergangenheit, die mehr mit Show und weniger mit der eigentlichen Reitkunst zu tun haben, nicht auch eine Folge der Bemühungen, den Sport publikumsgerechter zu machen?

London International Horse Olympia 2014
Frack und Helm. Hier Charlotte Dujardin.

Was der Sport braucht, ist nicht Funktionsbekleidung, die uns Reiter als Athleten erscheinen lassen. Schlussendlich ist und bleibt das Pferd der Athlet. Was der Sport braucht ist der Mut, sich wieder auf klassische Grundsätze zu verlassen und das Pferd in den Mittelpunkt zu stellen. Dies ist die einzige Möglichkeit, die Dressur der Allgemeinheit durch Schönheit und Harmonie zwischen Reiter und Pferd wieder näher zu bringen. Dass das sehr wohl funktioniert, zeigt sich am Beispiel von Charlotte Dujardin. Sie knackt nicht nur Weltrekorde am Laufmeter, sondern hat es auch unter die Top Ten bei der Wahl zur britischen BBC Sports Personality of the Year geschafft – und den grandiosen den vierten Platz belegt.

Schlussendlich ist die Frage nach dem Frack sowieso schlicht eine Frage des Geschmacks. Was den einen als schön und elegant erscheint, mag auf andere verstaubt wirken. So what. Ich bleibe dem Frack treu. Nicht weil ich Schurwolle im Hochsommer mag. Sondern weil er zum Gesamtbild einfach dazugehört. Abgefrackt ist der Frack noch lange nicht – mittlerweile gibt es ihn nämlich auch aus Funktionsmaterial.

Pia Piaffe Box

Pia Piaffe – ist ein Psydonym. Hinter Pia Piaffe steckt eine junge Frau aus dem Raum Luzern:) Pia Piaffe wird regelmässig für pferdonline Kolumnen schreiben.