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Keine Lust mehr aufs FEI-Präsidium? Was ist los, HRH Prinzessin Haya Bint Al Hussein? Eine Hommage.

13. August 2014, in Aktuell, Reportagen

 Zuerst drängte Prinzessin Haya von Jordanien auf eine Satzungsänderung, um zum dritten Mal als Präsidentin des Reiter-Weltverbandes (FEI) gewählt werden zu können, nun verzichtet sie auf eine weitere Amtszeit an der Spitze des Weltverbandes. Sie wäre mit Sicherheit erneut in dem Job bestätigt worden. Nun kandidiert sie nicht mehr. Und die Weichen dazu hatte sie klug gestellt: Sie macht familiäre und persönliche Gründe geltend. So scheint der Weg frei für den bisherigen Gegenkandidaten, nämlich Pierre Genecand (64) aus Genf. Sollte er auf der Generalversammlung im Dezember in Baku gewählt werden, wäre erstmals in der Geschichte des Reitsports – bis auf eine Ausnahme – kein Adeliger auf dem Thron…

Seit dem 1.Mai 2006 hatte Haya regiert, Ihre Königliche Hoheit Prinzessin Haya Bint Al Hussein von Jordanien, gerade 40 Jahre alt geworden. Die Generalversammlung wählte sie in Kuala Lumpur nach einer guten Präsentation, was in solchen Häusern normalerweise als unschicklich gilt, sie übernahm die Herrschaft von Dona Pilar de Borbon, der Schwester von König Juan Carlos II aus Spanien. Die neue Chefin sagte, sie werde alles in ihrer Kraft unternehmen, um den Pferdesport weiter zu bringen, ihn aber auch vor Angriffen zu schützen. 2010 wurde sie für weitere vier Jahre im Amt bestätigt.

In dem Buch “Das Pferd im zwanzigsten Jahrhundert – 100 Jahre in 100 Interviews” erklärt sie: “Mein Vater sagte immer zu mir: Du musst ein Vorbild für unser Land sein.” Ihre Mutter Alia Al Hussein kam 1977 bei einem Hubschrauberabsturz ums Leben, Haya war gerade drei Jahre alt. Sechsjährig saß sie auf einem Pony, mit zwölf bestritt sie bereits Wettkämpfe. Ihr Vater begeisterte sie für diesen Sport. Als erste Frau der arabischen Welt trat sie im Reitsport auf. 1994 gewann sie bei den Pan-Arabischen Reiterwettkämpfen Bronze im Springen. Sie besuchte das Gymnasium in Bristol und studierte in England mit Examen in Politik, Philosophie, Geschichte und Wirtschaftswissenschaft. Dann intensivierte sie das Reittraining. Sie trainierte zunächst zwei Jahre bis 1997 bei Paul Darragh in Irland, dort ritt sie auch Galopprennen. Sie merkte, um etwas im Turniersport zu erreichen, „musste ich auf das Festland.“ Sie hatte zwei Trainer im Auge, den Niederländer Hans Horn und den Deutschen Paul Schockemöhle. „Ich ging zu Schockemöhle. Er arbeitete viel im Mittleren Osten, er kennt unsere Kultur.“ Und weiter: „Die Pferde, die ich bei Paul Schockemöhle kaufte, hatten alle eines gemeinsam: Sie wollten springen, sie hatten Herz und Seele.“ Den wunderbaren Schimmelhengst Come On leaste sie von Ludger Beerbaum und dessen früherem Geschäftspartner und Reiterkollegen Ralf Schneider. „Ich fühlte mich geehrt, auf einer solchen Pferde-Persönlichkeit reiten zu dürfen“, meinte sie damals. Auf Come On nahm sie 1998 beim CHIO von Deutschland in Aachen teil. Sie gab keine schlechte Figur ab.

 

Die Prinzessin lebte während ihrer Trainingszeit bei Paul Schockemöhle in einem Ein-Zimmer-Appartement. Dort wollte sie  mit Ralf Schneider, mit dem sie durchaus etwas mehr als nur das Rieten verband, mal etwas kochen. Am Herd hatte sie jedoch vorher nie gestanden. Also versuchte sie, Ratschläge zuhause in Amman zu holen, wo jedoch niemand wusste, was man in Europa brutzelt. Zuletzt rief sie ihren Vater in den USA an, der dort wegen seiner Krebserkrankung gerade behandelt wurde. König Hussein hatte darauf diesen Spruch parat: „Eine Königstochter muss nicht kochen können.“ 1998 war der König selbst in Mühlen. Paul Schockemöhle: „Ein ganz bescheidener Mann. Er saß mit uns in der Kantine des Turnierstalles.“ Schockemöhle, der wegen bekannter Steuerprobleme vorübergehend ins Schweizer Exil abgetaucht war und auf einen Kurzbesuch dem König zuliebe zurückkam, bestellte “natürlich Zürcher Geschnetzeltes” (O-Ton Schockemöhle). Ein Jahr später starb König Hussein.

Schon als Kind interssierte sich Haya, „wie Spitzenathleten ganz nach oben kommen“. Sie vertiefte die Überzeugung: „Durch Konzentration in erster Linie. Die Spitzenreiter übertragen diese Fähigkeiten auf ihr Pferd.“ Eines wurde ihr auch bewusst, “reines Lesen kluger Bücher bringt einen nicht unbedingt weiter, man muss sich sein eigenes Konzept ausarbeiten.”

Zu schaffen in Deutschland machte ihr, dass sie ständig beobachtet wurde, „zuhause brauchte ich über das Protokoll nicht nachzudenken, darüber zu grübeln, was ich sagen durfte oder nicht. Dazu waren andere da. In Deutschland war alles anders. Abends fiel ich todmüde ins Bett.“

Der Start bei Olympia war der Wunschtraum ihres Vaters, ihn zu erfüllen, wurde für sie Pflicht. Sie schaffte es, wenn auch ein bisschen mit Goodwill anderer. Obwohl sie die offiziellen Auflagen der FEI nicht erfüllte, konnte sie in Sydney 2000 starten. Wie Olaf Petersen, weltbekannter Parcoursbauer und damals Vorsitzender des Spring-Komitees in der FEI, erklärte, habe man „sportpolitische Gründe gelten lassen, da die vom Internationalen Olympischen Komitee zugestandenen Plätze nicht voll genutzt wurden“. Bei der für sie festgelegten Qualifikation in Falsterbo (Schweden) war die Königstochter mit 52,5-Fehlerpunkten aus dem Parcours geritten und hatte das Limit um 44,5 Minuspunkte übertroffen, doch dann beim Juli-Turnier hatte sie sich auf der Stute Lucilla im Großen Preis in San Patrignano bei Rimini kurz vor dem absoluten Nennungsschluss für Sydney platziert, „so dass man sagte, sie habe den Befähigungsnachweis für Olympia erbracht“ (Petersen). Prinzessin Haya, die vor dem Abflug in Paris trainierte, quartierte ihr Pferd im als Quarantäne-Station ausgewiesenen Aachener CHIO-Stadion ein. In einer normalen Frachtmachine wurde das Pferd am 2.September nach Sydney geflogen. „Alles war nicht so einfach“, wie der auf den Flugdienst für Pferde spezialisierte Ire Martin Atock erklärte, „denn viele Botschaften schalteten sich ein. Haya war eben keine normale Person.“ Die Kosten in einer Linien-Frachtmaschine musste die Prinzessin selbst tragen, rund 30.000 Euro. Auf der anderen Seite der Erde trug sie bei der Olympischen Eröffnungsfeier die Fahne Jordaniens, beim Wettkampf schied sie auf der Holsteiner Landgraf-Tochter Lucilla in der dritten Qualifikation nach Sturz aus. Doch so schlecht, wie sie von einigen Medien gemacht wurde, war sie im olympischen Parcours nicht. Es gab hässlichere Bilder.

Bei den Asienspielen 1994 in Hiroshima war die Prinzessin der absolute Medienstar. Sie knallte im Einzelspringen zwar in einen Oxer und brach eine Rippe, doch sie ging nach der Behandlung im Krankenhaus sofort zurück zum Turnierplatz, ergriff das Mikrofon und sprach die Dankesworte der Reiter an die Organisatoren.

Ihren ersten sportlichen Auftritt in Deutschland hatte die zweimalige jordanische „Sportlerin des Jahres“ 1995 in der Stuttgarter Hanns-Martin-Schleyerhalle. Sie ritt mit dem Österreicher Hugo Simon die Shownummer „Profi und Amateur“. Erstmals „im Geld“ war sie 1997 beim Turnier in Rostock, “wo ich zum ersten Mal kein Geld bei einem Turnier zulegen musste”, den ersten Sieg in einer schweren Prüfung feierte sie am 1.Mai 1999 auf einem kleineren Turnier bei Celle (GER), als sie auf dem Wallach Mustafa erfolgreich war.

Ihre Ehrungen und Auszeichnungen sind nicht auswendig herunterzurasseln. Nur um einige zu nennen: Fünfmal wurde sie jordanische Landesmeisterin im Springreiten, die spanische Föderation ehrte sie als „Reiter-Persönlichkeit des Jahres 1996“, sie erhielt von der „Tourismus-Gesellschaft“ Jordaniens den “Goldenen Helm” 2000 für ihre Werbung um deutsche Gäste, und sie wurde geehrt als „legendäre weibliche Persönlichkeit“, sie wurde als dritte Frau des arabischen Raums in das Internationale Olympische Komitee gewählt, sie ist Mitglied der von Prof. Dr. Arno Gegeo und Olaf Petersen gegründeten „Aachen School of Course Design“, Präsidentin des jordanischen Sportbundes, Mitglied des Präsidiums für Kinder „Recht zum Spielen“ und inzwischen auch erste Vorsitzende des “Dubai Equestrian Club”, und sie führt in ihrem Land die “Kampagne gegen das Rauchen” an. Neben ihrer Muttersprache spricht sie Französisch, Englisch, Spanisch, Italienisch und auch ein wenig Russisch. Auch ein paar Brocken Deutsch. Als einzige Frau Jordaniens besitzt sie einen LKW-Führerschein. Sie schreibt Gedichte, läuft Ski, segelt und schwimmt gerne, sie gärtnert und liebt als besonderes Hobby Fotografieren.

Am 20.April 2004 heiratete sie in Amman den 25 Jahre älteren jetzigen Emir Mohammad Ibn Rashid al Maktoum von Dubai, einen leidenschaftlichen Distanzreiter, der immer die Nummer “7” trägt, aber auch bereits in verschiedene Dopingfälle verwickelt war. Auf Distanzreiten sattelte Prinzessin Haya, zweite sogenannte Hauptfrau des Emirs, inzwischen ebenfalls um.

Zur Zeit engagiert sie sich bei humanitären Hilfsaktionen für die notleidende Bevölkerung im Gazastreifen und muss sich dort vermehrt einsetzen.

Autor: Dieter Ludwig (einer der bedeutendsten Journalisten und Autoren im internationalen Pferdesport ).