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Swiss Deluxe Haylage. Wer steckt dahinter? Ein Blick hinter die Kulissen.

21. Juni 2016, in Reportagen

image001Hinter Bern, zwischen grünen Hügeln und Pferdeweiden liegt Wyden. Seit 1658 lebt und arbeitet die Landwirtsfamilie Marschall hier, dieses Jahr hat Sohn Michael den Betrieb übernommen. Etwas ganz anderes zu machen als die Vorfahren kam dem heute 35-Jährigen nie in den Sinn. Er brennt für das Fahren schwerer Maschinen auf den Feldern, und seine Augen leuchten, wenn er von sattem Raygras und nährreichem Haylage spricht. „Haylage ist eigentlich ein Nebenprodukt unserer Grassamenproduktion“, erklärt Michael Marschall. „Wir selbst hatten keine Verwendung dafür, weil wir auf dem Hof keine Tiere ausser Hunde halten.“ Vor gut zehn Jahren begann die Familie deshalb, Haylage in Grossballen zu vertreiben. Einige Jahre später aber kam eine neue Idee auf: kleinere Ballen mit wirklich gleichbleibender Futterqualität an den Mann beziehungsweise die Pferdebesitzer zu bringen

Marschall

Für den Traditionsbetrieb mit 50 Hektar Ackerfläche hiess die Umsetzung dieser Idee Geld in die Hand zu nehmen und in unbekannte Gewässer vorzustossen. Und trotzdem, Vater und Sohn arbeiteten eine Erfolgsrechnung aus, die die Bank überzeugte. Sie machten sich auf die Suche nach einer geeigneten Maschine. Fündig wurde Michael Marschall in England. Die scheunen-füllende Gerätschaft kann automatisiert verschiedene Grasschnitte mischen, abwiegen, 18-Kilo-Ballen füllen – und steht nun also auch in der Schweiz. Ausserdem schloss der junge Landwirt Anbauverträge mit benachbarten Landwirten ab, um ihnen Gras abzukaufen und somit genügend Material für die Produktion zu haben. „Wir hatten zu dem Zeitpunkt noch keine Abnehmer und wussten nicht, ob es überhaupt einen Markt geben würde“, erinnert er sich an die Situation vor vier Jahren. „Es war das volle Risiko.“

„Mir kamen die Tränen“
Aber Familie Marschall glaubte an ihre Idee. Nach dem Motto „wenn dann richtig“ lancierten sie eine Marke, die sie schützen liessen: Marschall Feed Swiss Deluxe Haylage. Das Logo, das Michael Marschall zusammen mit Grafikern erstellte, ist heute auf jedem der 18-Kilo-Ballen zu sehen und prangt auf einer grossen Plane über der Scheune auf dem Familienbetrieb. Marschall schaltete Werbung in Onlineplattformen, in Pferdezeitungen und sponserte grosse Anlässe. „Als der erste Lastwagen die ersten Ballen mit unserer Marke abholte, kamen mir die Tränen“, sagt er grinsend. Im ersten Jahr kannte die Marke natürlich noch niemand, räumt er ein, da verkaufte er gerade mal ein paar Tonnen des Futters. Dieses Jahr rechnet er bereits mit einem Absatz von 750 Tonnen.

Das Konzept scheint also aufzugehen – trotz so mancher Hürden. „Wir können uns in einem Hochpreissegment nicht leisten, dass die Qualität schwankt“, weiss Michael Marschall. Er persönlich kontrolliert deshalb den Anbau von Beginn bis zum Schluss. „Wir hatten auch schon Vertragslandwirte mit verunkrauteten Pazellen“, verrät er. „Die fliegen sofort aus.“ Denn was bei 500-Kilo-Abnahmen untergehen könnte, fällt Kunden bei 18-Kilo-Ballen sicher auf. Und dann gibt es da noch das Wetter: Heisse Sommer wie im Jahr 2015 schaden der Ernte. „Letztes Jahr war der Ertrag der zweiten Ernte sehr gering, weil es einfach nicht regnete“, so Marschall. „Ich kann das Futter nicht irgendwo einkaufen, weil ich es ja kontrolliere.“ Letztes Jahr rettete den Betrieb eine Reserve aus dem Vorjahr. „Wenn das Wetter dieses Jahr nicht mitspielt, werden wir ein Problem haben.“

Auf Kadaver und Schimmel kontrollieren
In Folie eingewickelt stapeln Grasballen auf dem Hof der Marschalls. Ein bis zwei Monate gären die Gräser, danach können sie so verpackt bis zu zwei Jahre lagern. Über einen Code auf jedem Ballen kann der Chef nachverfolgen, woher das Gras kommt und wer es verpackt hat. In der Scheune daneben lärmt die Maschine aus England. Ein Mitarbeiter fährt die Ballen hinein, schneidet sie auf und kontrolliert zwei Dinge: Erstens dass kein totes Tier beim Mähen hineingelangt ist. Denn das entwickelt ein tödliches Gift. Erst im April sind bei einem Zürcher Bauer über so verunreinigte Silage 60 Kühe gestorben. Zweitens: dass kein Schimmel zu finden ist.

„Wenn man nur wenige Halme mit Schimmel weiterverarbeitet, verteilen sich die Sporen in jedem kleinsten Ballen“, erklärt Marschall. Eine gute Nase und ein gutes Auge sind also gefragt von den zwei geschulten Mitarbeitern, die hier als einzige beschäftigt sind. In ein 18-Kilo-Ballen kommt so nur frisches Futter mit einem bestimmten Mischverhältnis: Die Hälfte vom ersten Schnitt, also der ersten Ernte, die im Juni ansteht. Und die andere Hälfte vom zweiten Schnitt, nochmals aufgeteilt auf verschiedene Produzenten, „weil der zweite nie so regelmässig wie der erste ist“. Die Maschine aus England vermischt die Gräser zu einem Futter, das tatsächlich wie „aus einem Guss“ ausschaut. Abgepackt wird das Haylage in einen Sack, der besonders dick ist und allein schon einen Franken kostet. „Das kleinste Loch würde zu Schimmel im Futter führen“, weiss Marschall. „Da könnte ich noch lange sagen, dass das ein Sackproblem ist, schaden würde es unserem Image.“

Am Ende finden Käufer ein Futter vor, das mit 30 bis 32 Prozent Wasser für Haylage relativ trocken ist. Zum Vergleich: Heu hat 12 Prozent und Silage, was an Kühe verfüttert wird, 50 Prozent. Die Gefahr von Kotwasser sei so minimiert, sagt Marschall, und Kunden vor allem von Allergikerpferden geben ihm positive Rückmeldungen. Direkt verkauft der Familienbetrieb allerdings nicht. „Eine Pallette nach Genf und dann wieder eine nach Graubünden zu transportieren – der Aufwand wäre einfach zu gross und es würde zu teuer werden.“ Stattdessen läuft der Vertrieb exklusiv über den Landi-Kanal sowie über den Schildknecht Einstreuhandel. „Wenn andere Händlern anfragen, sage ich ab“, erzählt Marschall. „Denn so schauen meine zwei Abnehmer auch zu mir.“ Die Idee der Familie Marschall rentiert sich mittlerweile. Die Eltern Lienhard und Gertrud stehen ihrem Sohn nach wie vor beratend beiseite und Michaels Frau Amanda, gelernte Drogistin, ist auch ins Geschäft eingestiegen. Das Paar ist die nächste gemeinsame Herausforderung bereits angegangen: Sie haben eine Baumschule aufgekauft und beschäftigen dort schon ein paar Mitarbeitende. „Manchmal fällt es uns schwer abzuschalten, weil wir alles miteinander diskutieren“, gesteht Marschall. Aber eines überwiege ganz klar, fügt er an: die Freude daran, als Familie Visionen umzusetzen.

Webseite von Swiss Deluxe Haylage

Text: Ann-Kathrin Schäfer