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Angebot und Nachfrage auf dem Pferdemarkt: Wo steuern wir hin? Eine Recherche.

17. Oktober 2014, in Aktuell, Reitsport

Während die Bedeckungszahlen der Stuten vor allem in Deutschland weiter rückläufig sind, ist die Nachfrage nach qualitätsvollen Sportpferden nach wie vor gross. Steigen nun die Preise? Eine Recherche. 

Bauer Freese in Norddeutschland hat genug. Sein Milchwirtschaftsbetrieb mit 450 Kühen läuft gut, doch seine sieben Boxen für die Zuchtstuten sind leer. Seit sein Sohn den Betrieb übernommen hat, ist die erfolgreiche Pferdezucht der Freeses, die über Generationen aufgebaut wurde, Vergangenheit.

Denn wer knallhart rechnet, stellt fest, dass die Pferdezucht eine Passion ist und wenig Geld bringt. Klar, konnte ein Züchter wie Freese mal Glück haben und ein Fohlen für viel Geld verkaufen. Doch Aufzucht und Anreiten liessen die Kosten für die Bauern so in die Höhe schnellen, dass die Fohlen schon früh verkauft werden mussten, damit die Zucht zu einer kostendeckenden oder gar rentablen Leidenschaft wurde.

Und so gingen die Bedeckungszahlen der Stuten immer mehr zurück. Ingo Pape, Hengsthalter in Hemmoor (Niedersachsen) nennt Fakten: „In den letzten sechs Jahren gingen die Bedeckungszahlen langsam zurück und haben sich nun bei fast der Hälfte der Stuten eingependelt.“ Aktuelle Zahlen von diesem Jahr liegen Pape noch nicht vor, doch es soll sich um rund 45 Prozent weniger handeln als vor sechs Jahren – auf den gesamten deutschen Pferdemarkt gesehen.

Verkaufspferd Box
Ein Verkaufspferd an den Verkaufstagen der Norddeutschen Dressureliten in Deitingen. Ingo Pape kommentiert ein Pferd. Bild: Altenhofer.

Vielleicht war es auch so, dass der Markt jahrelang mit zu vielen Fohlen übersättigt wurde. „Jeder der noch eine Stute im Stall hatte, rannte damit zum Hengst“, so Pape. Damit sei nun Schluss. Heute hat ein Bauer statt fünf tragende Stuten nur noch zwei oder drei Stuten im Stall. Und ein Bauer wie Freese ist kein Einzelfall. Hengsthalter und Aufzüchter Pape: „Der Markt der Landwirte, die nebenbei noch zehn Zuchtstuten hielten, ist vollständig kollabiert.“ Es sei Tatsache, dass bei Generationenwechseln auf den Höfen die „Jungen“ die Wiesen lieber umpflügen, Mais produzieren oder Biogasanlagen betreiben würden. „Die Jungen haben in der Schule was von Marktwirtschaft gehört und wollen Geld verdienen“, so Pape weiter.

Fohlen Box

Für Leidenschaften wie Pferdezucht bleibt kein Platz. Nun kommen nur noch halb so viele Fohlen zur Welt wie vor sechs Jahren. Wie wirkt sich dieses Verhalten auf die Preisgestaltung im Pferdemarkt aus?

Bei der Eliteauktion in Westfalen wurden zwei Pferde für 200 000 Euro verkauft. Und auch an der Herbst-Eliteauktion in Hannover wurde nach einer eher mühsam verlaufenden Eliteauktion im April (Durchschnitt 23 000 Euro) ein Durchschnittspreis von 38 000 Euro erreicht. Der Durchschnittspreis ist allerdings sehr stark abhängig von den schwankenden Preisspitzen. Deshalb sollten diese Durchschnittspreise nicht pauschalisiert werden. Noch sind also keine grossen Veränderungen auf dem breiten Markt spürbar. Dies bestätigen auch Pferdehändler in der Schweiz. „Qualitätsvolle und gut gerittene Dressurpferde waren schon immer sehr schwierig zu finden“, sagt Dressur-Pferdehändler Jürg Lenherr aus Pfyn. „Wir müssen die Pferde für viel Geld einkaufen. Wir können sie nur durch die eigene gute Arbeit weiter fördern und ausbilden und so Geld verdienen. Die Zeiten der Schnäppchen sind vorbei.“ Dies habe aber wenig mit dem Rückgang der Bedeckungszahlen zu tun.
Und auch bei Max Hauri in Seon hat sich der Rückgang der Bedeckungszahlen noch nicht ausgewirkt. Er sagt das gleiche wie Lenherr: „Gute Pferde zu finden ist schwierig. Das war aber schon immer so. Weil alle das gleiche suchen: wir brauchen Pferde mit Potential.“ Bei Hauri stehen immer zwischen 40 und 50 Sportpferde im Verkaufsstall.

Übrigens gilt diese These, dass die Pferde in den nächsten Jahren teurer werden könnten, nicht nur für ausländische Pferde. Gemäss einer Statistik des Zuchtverbandes für Schweizer Pferde sind auch in der Schweiz die Zahlen der registrierten Pferde massiv rückläufig.

Swisshorse Box

2008 war in der Zuchtagenda des ZVCH noch alles im grünen Bereich:
Feldtest Reiten: 510
Fohlenschauen: 914
Promotion CH Qualifikation: 5 772
Promotion CH Final: 1 087

2009 nahmen die Zahlen einen negativen Trend:
Feldtest Reiten: 434 (-69)
Fohlenschauen: 873 (-41)
Promotion CH Qualifikation: 5 873 (+101)
Promotion CH Final: 1 034 (-53)

2010
Feldtest Reiten: 436 (+2)
Fohlenschauen: 788 (-85)
Promotion CH Qualifikation: 5 747 (-126)
Promotion CH Final: 1 028 (-6)

2011
Feldtest Reiten: 470 (+34)
Fohlenschauen: 744 (-44)
Promotion CH Qualifikation: 5 643 (-104)
Promotion CH Final: 934 (-94)

2012
Feldtest Reiten: 450 (-20)
Fohlenschauen: 687 (-57)
Promotion CH Qualifikation: 5 276 (-367)
Promotion CH Final: 881 (-53)

2013
Feldtest Reiten: 386 (-64)
Fohlenschauen: 646 (-41)
Promotion CH Qualifikation: 5 210 (-66)
Promotion CH Final: 764 (-117)

In der Spanne von fünf Jahren kamen insgesamt 124 Pferde weniger zum Feldtest. Rund ein Drittel weniger Fohlen wurden gezeigt auf den Fohlenschauen, rund 400 Pferde liefen weniger an Promotion CH Qualifikationsprüfungen und am Final in Avenches waren letztes Jahr satte 320 Pferde weniger am Start als noch 2008. 

Showgirl Melanie Hofmann Box neu
Showgirl unter Melanie Hofmann. Foto: Horsefoto.

Diese Statistik lässt nachdenken. Wo steuert die Pferdezucht und vor allem die Preise für die Pferde hin? In den nächsten Jahren werden die Preise für Sportpferde noch einmal anziehen, so Ingo Pape aus Hemmoor, Niedersachsen. „Bei mir im Stall stehen momentan so viele Aufzuchtspferde wie noch nie. Ich habe viel investiert, weil ich mir sicher bin, dass in den nächsten Jahren eine Knappheit an guten Pferden auf uns zukommen wird.“ Demnach müssten – aus volkswirtschaftlichen Überlegungen – auch die Preise höher werden, denn gute Pferde sind auch heute schon knapp. Der Hannoveraner Verband jedenfalls denkt laut darüber nach, die Eliteauktion nächstes Jahr ausfallen zu lassen. Noch ist der Pferdemarkt gut eingedeckt, denn als die heutigen 6 und 7 jährigen Pferde zu Welt kamen, waren die Bedeckungszahlen noch um die hälfte höher.

Beitrag: Gina Kern