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Andy Kistler. Die Selektion für Rio.

27. Juli 2016, in Blog

„In einigen Tagen geht es los nach Rio, die Vorfreude kommt immer mehr. Seit meinem letzten Blogbeitrag ist entsprechend viel passiert: Vor allem steht das Schweizer Team offiziell fest. Wir hatten bereits am Sonntagabend nach dem CSIO St. Gallen im Pflegerzelt das Kader zusammengerufen und die fünf als Favoriten genannt: Janika Sprunger, Romain Duguet, Martin Fuchs, Paul Estermann und Steve Guerdat. Ich habe in die Runde gefragt, ob jemand Einwände hätte. Aber alle haben die Auswahl unterstützt. Schliesslich weiss jeder, dass es bei einem Paar einfach immer gut laufen muss, um eine Chance auf Olympia zu haben. Und das war glücklicherweise bei diesen Fünf auch an den folgenden Turnieren der Fall.

Die Qual der Wahl hatte ich dann aber in Aachen. Denn es war mit Swiss Olympics vereinbart, das definitive Team nach diesem letzten Turnier offiziell zu kommunizieren. Wen der fünf Reiter sollte ich nur als Ersatzreiter benennen? Fest stand auch bis kurz vor Schluss nicht, auf welches Pferd Steve Guerdat und Paul Estermann setzen sollten. Vor allem Paul Estermann erzielte sowohl mit Castlefield Ecplise als auch mit Lord Pepsi gute Ergebnisse, während bei Steve die Wahl schnell auf Olympiasieger Nino statt auf Weltcupsieger Corbinian fiel. Die Reiter merkten, dass ich mir ernsthaft Gedanken über die Teamwahl machte und mich auch mit dem Trainer Thomas Fuchs beriet.

Letztlich habe ich entschlossen, Paul Estermann mit Castlefield Eclipse als Ersatzreiter mitzunehmen. Da ich mir zur Gewohnheit gemacht habe, immer erst die schlechten Nachrichten zu überbringen, habe ich es Paul zuerst gesagt. Er hat meine Entscheidung akzeptiert und er weiss ja auch, dass das erst mal eine Vorentscheidung ist und er unter Umständen doch noch ins Team kommen könnte. Noch vor einem Jahr habe ich davon geträumt, aus sechs, sieben Paaren auswählen und noch einen fünften Reiter benennen zu können. Als es dann aber genau so kam, fiel mir die Entscheidung doch schwerer als gedacht. Schliesslich könnte es ja auch mit einer anderen Entscheidung gut herauskommen…

Nichtsdestotrotz war natürlich besonders schön, den anderen Vieren zu sagen, dass sie offiziell im Schweizer Team sind. Obwohl niemand wirklich überrascht war, haben sich die Sportler riesig gefreut. Und wir können mit dem Selbstvertrauen und der Zuversicht nach Rio fahren, gegen die besten Teams der Welt bestehen zu können. Das haben die Nationenpreise der letzten Wochen gezeigt. Insbesondere in Rotterdam und in Falsterbo sind wir doch mit dem ersten und dem zweiten Platz heimgefahren. Klar gehören auch ein guter Tag für Pferd und Reiter und etwas Glück dazu. Aber seit Aachen vorbei ist, freuen wir uns so richtig auf das gemeinsame Erlebnis Olympia und tanken noch etwas Energie.

Ich selbst habe in den letzten Tagen die Zeit zu Hause genossen und die Turniere in Albführen und Ascona besucht. In Albführen war das Turnier wunderschön, jedes Detail hat gestimmt. Und in Ascona hat man den Schritt vom Drei- zum Vier-Sterne-Turnier deutlich gemerkt: Die Plätze, die Infrastruktur, die Zelte waren viel besser. Was mich am meisten gefreut hat: Es hatte bedeutend mehr Zuschauer als in den Vorjahren.

Das ist ein Phänomen, dass man allgemein merkt und das sicher auch an unseren guten Resultaten liegt. Mit einem guten Resultat in Rio werden wir diese Entwicklung hoffentlich fortsetzen können. Nächstes Jahr stehen sieben Fünf-Sterne-Turniere in der Schweiz an. Eine solche Dichte gibt es sonst nirgends.

Was mich ausserdem positiv stimmt: Dass nebst dem Team in Rio weitere Paare nach vorne drücken. Mein Anliegen ist es, die Spitze zu verbreitern und die Qualität weiter zu verbessern. Mit dem folgenden Team reisen wir diese Woche nach Hickstead: Frédérique Fabre Delbos, Claudia Gisler, Christina Liebherr, Nadja Peter Steiner und Werner Muff – sie alle haben in den letzten Wochen gute Resultate gezeigt.

Ja, und dann kann es am 8. August wirklich losgehen mit unserer Reise nach Rio. Organisiert ist soweit alles. Wir waren zum Beispiel bei Swiss Olympics für die Kleiderausgabe, dann haben Medienkonferenzen stattgefunden. Aktuell hört man von schlecht bewohnbaren Unterkünften im Olympischen Dorf. Unsere Teamchefin Evelyne Niklaus hat berichtet, dass das Hochhaus, in dem wir wohnen werden, vergleichsweise gut in Schuss sein soll. Aber Unterkünfte hin oder her, was wirklich zählt, ist doch, dass wir es gut miteinander haben. Das soll ja auch das olympische Leben ausmachen: miteinander Zeit verbringen sowie sich und auch andere Sportler und Betreuer noch näher kennen zu lernen. Ich bin gespannt und freue mich sehr darauf.

Bleibt nur zu sagen: Wir werden alles daran setzen, zu den drei Teams zu gehören, die mit einer Medaille heimkommen. Und wenn es mit der Teammedaille klappt, dann ist sicher auch eine Einzelmedaille nicht weit. Drücken Sie den Schweizer Springreitern bitte die Daumen, dann kommt das gut!“

Aufgezeichnet von Ann-Kathrin Schäfer